Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Menge um ihn scharte. Kaum waren auch wir bei ihm, hörte er auf, sich zu bewegen. Schließlich lag er stocksteif da.
Conal fluchte leise. „Irgendwas stimmt hier nicht“, murmelte er. „Seth, hier ist was faul. Mir kommt es so vor, al s …“
Er wurde jäh unterbrochen, denn jemand stieß ihn vorwärts und mich gleich mit. Conal sah sich erschrocken um, aber wir konnten nicht entdecken, wer uns geschubst hatte. Eine mir unbekannte Stimme rief: „Der Schmied ist hier, der ist ein Heiler!“
„Ja, das stimmt, lasst ihn durch!“
Conal ließ meinen Arm los und schob mich zurück in die Menge, sodass er allein neben dem Leichnam des Priesters stand.
Morag MacLeod musste in der Nähe sein, ich konnte sie hören. „Einfach umgefallen ist er! Wie ein Baum. So was hab ich noch nicht gesehen. Nicht mal Zeit zum Schreien hatte der Ärmste. Hat einfach die Hände vors Gesicht gerissen, als hätt ihn jemand geschlagen, und dan n – rums ! – lag er da.“ Die alte Vettel war ganz in ihrem Element.
„Hier geht’s nicht mit rechten Dingen zu“, murmelte jemand hinter mir.
„Hab heut schon ’n paar andere Dinge gesehen, die mir nicht ganz geheuer waren“, sagte William Beag mit einem vielsagenden Seitenblick zu mir und einem schäbigen Grinsen im Gesicht.
„Vielleicht ein Anfall“, mutmaßte jemand anders. „Oder der Schlag hat ihn getroffen.“
Die Augen des Priesters standen offen, aber es war kein Leben darin, kein Licht. Ich sah, wie Conal dem Priester mit zitternden Fingern die Augenlider schloss, was ihn einige Versuche kostete, weil die Augen einfach nicht zubleiben wollten. Als könnte der Priester nicht glauben, dass er schon längst tot war. Stumm beobachtete die Meute meinen Bruder. Schließlich hielt er die Augen des Priesters eine Zeit lang mit den Fingern zu und endlich blieben sie geschlossen. Vorsichtig zog er seine Hand zurück.
„War nichts mehr zu machen, oder?“ Das war der Müller. Der Wolfsschlächter.
Ein Raunen ging durch die Menge. Ich verstand nur die Antwort: „Oh ja, verdammt richtig.“
„Er ist tot“, sprach Conal das Offensichtliche aus und erhob sich. Einen Moment lang zögerte er, als hätte er etwas vergessen, dann zwängte er sich zwischen die Schaulustigen in der ersten Reihe. Morag MacLeod hatte sich mittlerweile auch ganz nach vorne durchgeschummelt, wo sie am besten sehen konnte, und zeichnete sich mit den Fingern theatralisch ein Kreuz auf die Brust. Andere, die sie beobachtet hatten, folgten ihrem Beispiel.
Conal fluchte wieder leise vor sich hin.
„Hat ihn der Schlag getroffen?“, fragte ich ihn, als er mich fortzog.
Conal schwieg einen Moment und blickte über die Schulter zurück. Niemand nahm mehr Notiz von uns. Alles wieder beim Alten. Dachte ich.
„Könnte sein. Komm jetzt.“
Aber ich spürte, dass ihm noch etwas anderes durch den Kopf ging. Ich kannte Conal zu gut. „Jetzt sag schon.“
„Das gibt Ärger“, sagte Conal und spuckte auf die Straße. „Und jetzt komm endlich.“
15. Kapitel
S ich unauffällig zu verhalten war leichter gesagt als getan. Schließlich gab es so einiges zu erledigen, auch Brot und Ale fielen einem nicht einfach so in den Schoß. Wir konnten dem Dorf nicht immer fernbleiben, aber zumindest verbrachten wir dort so wenig Zeit wie möglich. Ich sorgte mich auch um Ma Sinclair, aber vorerst machten wir einen großen Bogen um das Wirtshaus.
Anscheinend konnte das Dorf nicht lange ohne Gottesbelästiger auskommen. Ein neuer Priester war schon zur Stelle, noch bevor der alte in seinem Grab erkaltet war. Wir beobachteten den Neuen, wie er seine freudlosen Predigten schwang, die koketten Mädchen missbilligend zurechtwies und seine knochigen Hände zum Gebet verknotete. Aber im Gegensatz zum alten Priester stattete er dem Wirtshaus nie einen Besuch ab. Er war sehr viel jünger, was man ihm aber nicht anmerkte. Bei seiner Greisenwürde und seiner Selbstherrlichkeit hätte man meinen können, er wäre älter als ein Sithe und hätte noch nie Freude oder Liebe erfahren.
Die Predigten in der kleinen, düsteren Kirche hörten wir uns nicht an. Das hatten wir noch nie getan und wir würden jetzt erst recht nicht damit anfangen. Außerdem brach zeitgleich mit der Ankunft des Priesters eine Seuche im Dorf aus. Sogar Conal und ich wurden krank und bekamen Fieber. Es schien, als wimmelte es im ganzen Tal von Krankheitserregern, vor denen es kein Entrinnen gab. Dabei waren wir nicht einmal besonders anfällig für die Pest
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