Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
würden sich um ihn kümmern, dafür brauchten sie mich nicht. Erleichterung und Erschöpfung brachen wie eine Springflut über mich herein. Ich blieb stehen und hoffte, dass meine Beine nicht unter mir nachgeben würden. Branndair legte den Kopf schief und schaute mich winselnd an.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass Catriona neben mir stand.
    „Na los“, sagte ich erschrocken. „Geh schon. Sie werden sich um dich kümmern.“
    Aber sie blieb stehen und schaute nur mit zusammengekniffenen Augen den Reitern hinterher, die in der Ferne verschwanden.
    Alle sorgten sich um Conal. Genau wie ich. Bei allen Göttern, er war schließlich derjenige, der an der Schwelle des Todes stand. Mir ging es gut, abgesehen von der Übermüdung. Es gab keine andere Erklärung für die stechenden Schmerzen in meinem Brustkorb und das Brennen in meinen Augen. Ich hob die Hände vors Gesicht und wollte mir die Augen reiben, aber meine Arme waren zu schwer. Es war viel zu anstrengend.
    Catriona berührte mich am Arm. Ich sah hinunter auf ihre Hand, diese verliesblasse, blau geäderte Hand, die so klein und verloren wirkte auf meinem sehnigen, muskulösen Unterarm.
    Ich musterte sie abschätzig. Die Zeit im Kerker hatte sie ausgemergelt, aber sie konnte auch zuvor schon nicht allzu kräftig gewesen sein. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht und riesige Augen. Aber vielleicht lag es auch an ihrem kahl geschorenen Schädel, ihrem vernarbten, schorfigen, mit Läusebissen übersäten Schädel, dass ihre Augen so groß wirkten. In mir keimte kurz so etwas wie Mitleid auf, doch dieses Gefühl wurde sofort von Ekel verdrängt. Ich verabscheute schon allein die Art, wie sie mich ansah, so teilnahmsvoll und zugleich ängstlich. Sie war so ekelerregend zerbrechlich. Ich hätte sie ohne Mühe in der Mitte durchbrechen können wie einen Ast.
    Sie war so ekelerregend vollsterblich.
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und marschierte gen Westen. Branndair trottete mir nach. Ich brauchte jetzt dringend Himmel und Seen, klares Salzwasser, das über meinem Kopf zusammenschlug. Ich wusste, dass das Mädchen mir hinterherschlich. Das ärgerte mich so, dass ich im Gehen begann, mich nackt auszuziehen. Sie blieb stehen und ließ sich auf dem Boden nieder, der hier schon torfiger wurde. Ich lief weiter, rannte über die Sandbänke, bis ich endlich das Ufer erreichte. Ich stieß mich ab und stürzte mich mit einem Salto in die Fluten.
    Am liebsten wäre ich nie wieder aufgetaucht. Das war es wohl, was man als Todessehnsucht bezeichnete. Conal hatte mal gesagt, wir kämen alle aus dem Wasser, selbst die Vollsterblichen, und deswegen ziehe es uns immer wieder dorthin zurück.
    Ich schloss die Augen, ließ mich hinabsinken und schwerelos schwebend von der Strömung treiben, die mich wieder ans Ufer spülte. Ich fühlte nur noch, wie das kalte Wasser meine Haut umschmeichelte, spürte die sanften Liebkosungen des Seetangs, der sich um meine Füße schlängelte. Ich hörte, wie die See und das Blut in meinen Ohren rauschten, bis ich das eine Rauschen nicht mehr von dem anderen unterscheiden konnte. Meine Füße berührten den Grund, nasser Sand rieselte mir zwischen den Zehen hindurch. Schließlich stieß ich mich vom Boden ab und brach prustend durch die Wasseroberfläche.
    Die Sehnsucht nach dem Tod war nicht von Dauer und mit etwas Glück erfüllte sie sich niemals.
    Ich wischte mir die Haare aus den Augen, legte mich auf den Rücken und ließ mich von den wogenden Wellen tragen. Branndair lief aufgeregt am Ufer hin und her und winselte besorgt. Für einen kurzen Moment war ich abgelenkt und sah den Brecher nicht kommen, der mich unter Wasser riss und an den Strand zurückbeförderte. Spuckend und prustend tauchte ich auf. Wie gut das schmeckte! Sogar die Luft schmeckte frisch, genau wie die ganze Welt um mich herum.
    Ich sollte mich auf den Weg zur Festung machen, dachte ich. Sofort. Oder nein, vielleicht später.
    Das Mädchen kauerte am Ufer, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, und schaute mich an. Zähneknirschend richtete ich mich auf und stieg aus dem Wasser, woraufhin sie schnell woandershin sah. Ich sammelte meine verstreuten Kleider ein und quälte mich wieder hinein. Der Sand kratzte und knirschte an den besonders empfindlichen Stellen meines Körpers. Dann ging ich zum südlichen Ende der Bucht und kletterte die zerklüftete Landzunge hoch. Dieses Mal folgte das Mädchen mir nicht, sondern blieb regungslos sitzen. Als ich mich niederließ und

Weitere Kostenlose Bücher