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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sich an den Türpfosten fest, als sei er betrunken und könne kopfüber ins Zimmer stürzen. Sein Gesicht war von- Narben übersät, eine scheußliche Maske wunden Fleisches, als habe jede Phase seines ›Todes‹ ihre Spur hinterlassen, und seine früher so klaren Augen waren von roten Adern durchschossen.
    ›Bleib zurück… ich beschwöre dich!‹ flüsterte ich. ›Sonst werfe ich die Lampe nach dir, und du verbrennst bei lebendigem Leibe.‹ Und während ich dies sagte, hörte ich einen Ton links von mir, ein kratzendes Geräusch an der Außenwand unseres Hauses. Es war der andere. Jetzt sah ich seine Hände über das schmiedeeiserne Balkongitter greifen; dann warf er sich mit aller Kraft gegen die Glastür, und Claudia schrie laut auf.
    Ich kann dir nicht alles erzählen, was sich nun abspielte; ich weiß noch, daß ich die Lampe hob, daß sie zu Lestats Füßen zerschellte und daß die Flammen emporzüngelten. Dann hielt ich eine Fackel in der Hand, ein großes Stoffknäuel, das ich vom Sofa gerissen und angezündet hatte. Doch zuvor muß ich mit ihm gerungen haben, mit furchtbaren Hieben und Fußtritten, denn er war sehr stark. Irgendwo im Hintergrund schrie Claudia in wilder Panik; die andere Lampe war zerbrochen, und die Fenstervorhänge brannten lichterloh. Lestats Kleider stanken nach Petroleum, und er schlug verzweifelt nach den Flammen. Er war schwerfällig, nicht gesund und konnte sich kaum auf den Füßen halten; doch als er mich im Griff hatte, brauchte ich nicht nur die Hände, sondern auch die Zähne, um mich seiner zu erwehren. Auf der Straße hatte sich Lärm erhoben, eine Glocke klingelte. Unser Zimmer war ein Inferno. Claudia schlug sich mit dem flügge gewordenen Vampir herum; er schien unfähig, sie festzuhalten, so wie ein unbeholfener Mensch einen Vogel zu fassen versucht. Ich erinnere, wie ich mich mit Lestat im Feuer wälzte, die erstickende Hitze im Gesicht fühlte und die Flammen auf seinem Rücken sah, wenn ich unter ihm lag. Dann gelang es Claudia, den Schürhaken zu ergreifen und damit auf Lestat einzuschlagen, bis seine Umklammerung nachließ und ich mich von ihm befreien konnte. Unbarmherzig schlug Claudia zu, ich hörte sie dabei knurren wie in Raubtier, und Lestat hielt die Hand vor das schmerzverzogene Gesicht. Und der andere lag auf dem schwelenden Teppich, aus einer Kopfwunde floß Blut.
    Was dann geschah, weiß ich nur noch ungefähr. Ich glaube, ich nahm Claudia den Schürhaken aus der Hand und versetzte Lestat einen Schlag an die Schläfe. Ich erinnere mich, daß er nicht aufzuhalten und gegen die Schläge gefeit zu sein schien. Die Hitze versengte meine Kleidung, hatte Claudias Kleid erfaßt, und ich nahm sie auf und lief mit ihr hinunter und versuchte, die Flammen mit meinem Leib zu ersticken. Ich erinnere mich, daß ich meinen Rock auszog und damit draußen nach den Flammen schlug und daß Menschen an mir vorbei und die Treppe hinaufliefen. Eine große Menge drängte in unseren Hof, und jemand war sogar auf das schräge Dach der Ziegelhütte geklettert. Jetzt trug ich Claudia in den Armen und eilte an allen vorbei, hörte nicht auf ihre Fragen, bahnte mir den Weg. Und dann waren wir allein; ich hörte sie an meinem Ohr seufzen und schluchzen und rannte blindlings die Rue Royale hinunter in die erste enge Seitengasse, rannte und rannte, bis ich nichts mehr hörte als den Klang meiner Schritte und ihren Atem. Und dann standen wir da, der Mann und das Kind, versengt und keuchend, und holten tief Luft in der Stille der Nacht.«

 
     
     
Zweiter Teil

 
     
    D ie ganze Nacht stand ich auf dem Deck des französischen Schiffes Mariana und beobachtete die Landungsplanken. Auf dem Kai und dem Pier drängten sich die Menschen, auf den Decks ergingen sich Passagiere und Gäste, und in den luxuriösen Kabinen wurden Abschiedspartys gefeiert. Schließlich, schon gegen Morgen, nahmen die letzten Gäste Abschied, und einige verspätete Passagiere kamen an Bord. Doch Lestat und sein Jünger, wenn sie den Brand überlebt hatten (und ich war davon überzeugt), hatten. Den Weg zum Schiff nicht gefunden. Unser Gepäck war schon im Laufe des Tages geholt worden; wenn etwas zurückgeblieben war, woraus man unseren Zielort hätte erfahren können, so war es bestimmt ein Opfer der Flammen geworden. Dennoch war ich auf der Hut. Claudia hatte sich in unserer Kabine eingeschlossen und ließ die Augen nicht vom Bullauge. Aber Lestat kam nicht.
    Endlich wurden die Anker gelichtet; das Schiff

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