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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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schlich ich ihnen heimlich nach, blieb am Gatter stehen und blickte ihnen hinterher, wie sie über die Felder huschten.
    Kalt und undurchdringlich stülpte sich die Nacht über mich. Nicht einmal das Kaminfeuer vermochte mich zu wärmen, nachdem ich zurückgekehrt war. Dafür herrschte hier wenigstens die Ruhe, derer zu bedürfen ich mir nach dem gräßlichen Kampf in Paris eingeredet hatte. Ruhe - und die Erkenntnis, die wie ein hungriges Tier in mir nagte: daß ich seinen Anblick jetzt nicht mehr ertragen konnte.

5
    Als ich meine Augen am folgenden Abend öffnete, wußte ich, was ich zu tun hatte. Ob ich seinen Anblick ertragen konnte oder nicht, war belanglos. Ich hatte ihn zu dem gemacht, was er nun war, und ich mußte ihn irgendwie aus seiner Lethargie rütteln. Die Jagd hatte ihn nicht verändert, obgleich er offenbar ausgiebig getrunken und getötet hatte. Ich betrachtete es als meine Pflicht, ungeachtet des Umschwungs meiner Gefühle, nach Paris zu eilen, um jenen einen Gegenstand zu holen, der ihn möglicherweise wieder zu sich bringen konnte.
    Die Geige.
    Vielleicht würde sie ihn aufwecken. Ich würde sie ihm in die Hände legen, und er würde sie wieder spielen wollen, würde sie mit neuer Kunstfertigkeit spielen wollen, und alles würde sich ändern, und meine Herzenskälte würde dahinschmelzen.
    Kaum hatte sich Gabrielle erhoben, als ich ihr von meinem Plan berichtete. »Und die anderen Dämonen?« sagte sie. »Du kannst nicht allein nach Paris reiten.«
    »Aber ja doch«, sagte ich. »Du mußt hier bei ihm bleiben. Falls die kleinen Pestbeulen vorbeischauen sollten, könnten sie ihn in seinem Zustand leicht ins Freie locken. Außerdem möchte ich wissen, was bei Les Innocents vor sich geht. Ich möchte wissen, ob wir wirklich Waffenstillstand haben.«
    »Das gefällt mir nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Glaub mir, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß wir uns noch einmal mit dem Meister unterhalten sollten, daß wir von ihm und der alten Frau viel lernen können, würde ich dafür plädieren, Paris auf der Stelle zu verlassen.«
    »Und was in aller Welt können sie uns wohl beibringen?« sagte ich kühl. »Daß sich die Sonne in Wirklichkeit um die Erde dreht? Daß die Erde eine Scheibe ist?«
    Aber ich schämte mich der Härte meiner Worte.
    Eines hätten sie mir allerdings verraten können - warum die Vampire, die ich erschaffen hatte, gegenseitig ihre Gedanken hören konnten, während mir diese Fähigkeit versagt blieb. Aber ich war allzu niedergeschlagen über den Abscheu, den ich vor Nicki empfand, um mir über derlei Dinge Gedanken machen zu können. Ich warf nur einen Blick auf sie und dachte, wie herrlich die Zauber der Finsternis sie wieder in jene jugendlich-schöne Göttin verwandelt hatten, die sie für mich als Kind gewesen war. Doch Nickis Verwandlung kam seinem Tod gleich. Und vielleicht verstand sie mich nur allzugut, auch ohne die Worte in meiner Seele zu lesen. Wir umarmten uns. »Paß auf dich auf«, sagte sie.
    Ich hätte als erstes in die Wohnung gehen sollen, um seine Geige zu suchen. Außerdem mußte ich noch meinem armen Roget ein paar Lügen auftischen. Und der Gedanke, Paris den Rücken zu kehren, schien auch mir allmählich unserer Situation immer angemessener.
    Aber stundenlang tat ich erst mal alles, wonach mir gerade der Sinn stand. Ich durchjagte die Tuilerien und die Boulevards, tat, als gäbe es keinen Vampirorden unter Les Innocents, als sei Nicki lebendig und wohlauf, als läge mir Paris wieder zu Füßen.
    Aber ich war vor ihnen auf der Hut. Ich dachte über die alte Königin nach. Und als ich es am wenigsten erwartete, hörte ich sie, auf dem Boulevard du Temple, während ich mich Renauds Theater näherte.
    Seltsam, daß sie sich in Stätten des Lichts aufhielten, wie sie es nannten. Ich wußte sofort, daß sich einige von ihnen hinter dem Theater versteckt hatten. Und diesmal verströmten sie keinerlei Groll, sondern nur verzweifelte Erregung, als sie meiner Nähe gewahr wurden.
    Dann sah ich das weiße Gesicht der Vampirfrau, jener schwarzäugigen Schönheit mit dem Hexenhaar. Sie war in dem Durchgang neben dem Bühneneingang, und sie schoß vor, um mich herbeizuwinken.
    Ich ritt ein paarmal hin und her. Der Boulevard bot das übliche Frühlingsabendbild: Hunderte von Spaziergängern inmitten vorbeirollender Kutschen, jede Menge Straßenmusiker, Akrobaten und Jongleure, die Tore zu den erleuchteten Theatern einladend geöffnet. Dieses Treiben

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