Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Kulissen, die uns umgaben und in die Dunkelheit schnitten, und das Lichterflackern an der Rampe der staubigen Bühne. Ich sah den von Schatten verschleierten Zuschauerraum, und im Schwall einer einzigen Erinnerung wurde alles lebendig, was sich hier ereignet hatte. Und ich sah, wie ein Alptraum den nächsten gebären würde und daß sich eine Geschichte dem Ende zuneigte.
»Das Theater der Vampire«, flüsterte ich. »Wir haben die Zauber der Finsternis auf diese bescheidene Stätte angewandt.« Niemand wagte zu antworten. Nicolas lächelte nur.
Und als ich mich umdrehte, um das Theater zu verlassen, hob ich meine Hand und trieb sie ihm alle mit einer scharfen Geste zu. Ich sagte Lebewohl.
Wir waren noch nicht weit vom Boulevard entfernt, als ich innehielt. Tausend Schreckensbilder bestürmten mich - Armand würde kommen, um ihn zu vernichten, seine neuen Brüder und Schwestern würden ihn, seiner Raserei überdrüssig, verlassen, und am nächsten Morgen würde er durch die Straßen irren und vergeblich ein Versteck vor der Sonne suchen. Ich blickte zum Himmel auf. Ich konnte weder sprechen noch atmen.
Gabrielle schlang ihre Arme um mich, und ich hielt sie fest, vergrub mein Gesicht in ihrem Haar. Ihre Haut, ihr Gesicht, ihre Lippen waren wie kühler Samt. Und ihre Liebe umfing mich mit einer monströsen Reinheit, wie sie menschliche Herzen und menschliches Fleisch niemals kennen konnten.
Ich hob sie hoch, umarmte sie. Und in der Dunkelheit waren wir wie zwei Liebende, die aus einem Stein gemeißelt worden waren und die nicht die geringste Erinnerung besaßen, jemals getrennte Leben geführt zu haben.
»Er hat seine Wahl getroffen, mein Sohn«, sagte sie. »Was geschehen ist, ist geschehen, und er fällt dir nicht mehr zur Last.«
»Mutter, wie kannst du so etwas sagen?« flüsterte ich. »Er wußte ja nicht… er weiß noch immer nicht…«
»Laß ihn ziehen, Lestat«, sagte sie. »Sie werden sich um ihn kümmern.«
»Aber jetzt muß ich diesen Teufel Armand auftreiben, oder?« sagte ich matt. »Ich muß erreichen, daß er sie in Ruhe läßt.«
Als ich am folgenden Abend nach Paris kam, erfuhr ich, daß Nicki bereits Roget aufgesucht hatte.
Es war gerade eine Stunde her, daß er wie ein Verrückter gegen seine Tür gepocht und brüllend die Besitzurkunde und das Geld verlangt hatte, das ich ihm angeblich versprochen hatte. Er hatte Roget und seine Familie bedroht. Außerdem hatte er Roget beauftragt,’ Renaud und seiner Truppe nach London zu schreiben, um sie zur Heimreise zu veranlassen, ein neues Theater erwarte sie, und er rechne mit ihrer unverzüglichen Rückkunft. Als sich Roget weigerte, verlangte er die Londoner Adresse der Schauspieler und fing an, Rogets Schreibtisch zu durchwühlen.
Ich kochte innerlich vor Wut, als ich das vernahm. Er wollte sie also allesamt zu Vampiren machen, dieser Grünschnabel von Dämon, dieses rücksichtslose und wildgewordene Monster.
So weit würde es nicht kommen.
Ich befahl Roget, einen Kurier mit der Botschaft nach London zu schicken, daß Nicolas den Verstand verloren habe und die Schauspieler nicht zurückkehren sollten.
Und dann begab ich mich zum Boulevard du Temple und fand ihn bei der Probenarbeit, so hektisch und verrückt wie zuvor. Er trug wieder seinen Sonntagsstaat und seinen alten Schmuck aus der Zeit, da er noch seines Vaters Lieblingssohn gewesen war, aber seine Krawatte war schief, seine Strümpfe waren heruntergekrempelt, und sein Haar war so wild und ungekämmt wie bei einem Gefangenen in der Bastille, der sich schon seit zwanzig Jahren nicht mehr im Spiegel gesehen hatte.
In Gegenwart von Eleni und den anderen sagte ich ihm, daß ich ihm nichts geben würde, wenn er mir nicht verspräche, daß der neue Orden keinem Schauspieler und keiner Schauspielerin in Paris jemals etwas antun würde. Daß Renaud und seine Truppe weder jetzt noch künftig in das Theater zurückgelockt werden würden. Und daß Roget, der den Etat des Theaters verwahren solle, kein Haar gekrümmt werden würde.
Er lachte mich aus, machte sich nur über mich lustig. Aber Eleni brachte ihn zum Schweigen. Sie war entsetzt, als sie von seinen schaurigen Absichten erfuhr. Sie war es, die alles versprach, was ich wollte, und die anderen ins Wort nahm. Sie war es, die ihn mit einem wahren Wortschwall einschüchterte und verwirrte, bis er klein beigab.
So übertrug ich schließlich Eleni die Verantwortung für das Theater der Vampire und die Finanzen, mit denen sie in Absprache
Weitere Kostenlose Bücher