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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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geweihten Sicheln die Misteln von den Eichen. Aber dieser Mann sah eher wie ein Bauer oder Soldat aus. Andererseits - welcher Druide trug schon seine weißen Gewänder, wenn er eine Hafenschänke aufsuchte? Und Druiden durften ohnehin nicht mehr wie Druiden durch die Gegend ziehen.
    ›Glaubst du wirklich an diesen alten Kult?‹ fragte ich und beugte mich vor. ›Bist du selbst auf dem tiefsten Grund Ägyptens gewesen?‹
    Wenn das ein echter Druide ist, habe ich einen tollen Fang gemacht, dachte ich. Diesen Mann könnte ich dazu bewegen, mir Sachen über die Kelten zu erzählen, die sonst niemand wußte. Und was, um alles in der Welt, hatte Ägypten damit zu tun, fragte ich mich?
    ›Nein‹, sagte er, ›ich bin nie in Ägypten gewesen, obwohl unsere Götter ägyptischen Ursprungs sind. Es ist nicht meine Bestimmung, dahin zu gehen. Es ist nicht meine Bestimmung, die alte Sprache zu erlernen. Die Sprache, die ich spreche, genügt den Göttern.‹
    ›Und welche Sprache ist das?‹
    ›Keltisch natürlich‹, sagte er. »Das weißt du doch.‹
    ›Und wenn du zu deinen Göttern sprichst, woher weißt du dann, daß sie dich auch hören?‹
    Sein Mund verzog sich zu einem triumphierenden Lächeln.
    ›Meine Götter antworten mir.‹
    Kein Zweifel, er war ein Druide. Ich stellte ihn mir in seinen weißen Gewändern vor. Und wenn jetzt Massilia von einem Erdbeben erschüttert worden wäre, hätte ich es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.
    ›Dann hast du sie also selbst gehörte sagte ich.
    ›Ich habe meine Götter zu Gesicht bekommen‹, sagte er. »Und sie haben zu mir gesprochen, in Worten und schweigend.‹
    ›Und was sagen sie? Was unterscheidet sie von unseren Göttern, von der Art der Opfer einmal abgesehen?‹
    »Sie tun, was Götter schon immer getan haben; sie scheiden das Böse vom Guten. Sie segnen alle, die ihnen huldigen. Sie schenken den Gläubigen Einklang mit den Zyklen des Universums, mit den Zyklen des Mondes. Sie machen das Land fruchtbar. Alles Gute kommt von den Göttern.‹
    Ja, dachte ich, die alten, primitiven Religionen schlagen die einfachen Leute noch immer in ihren Bann.
    ›Meine Götter haben mich ausgesandt‹, sagte er, »dich zu suchen.‹
    ›Mich?‹ fragte ich. Ich war verblüfft.
    ›Du wirst das alles schon noch verstehen‹ sagte er. »Genau wie du den wahren Kult des alten Ägypten kennenlernen wirst. Die Götter werden dich es lehren.‹
    ›Warum sollten sie?‹ fragte ich.
    ›Ganz einfache sagte er. »Weil du einer der Ihren werden wirst.‹
    Ich wollte gerade etwas erwidern, als mir ein mörderischer Schlag auf den Hinterkopf versetzt wurde, und wie ein Wasserfall überflutete der Schmerz meinen Schädel. Mir schwanden die Sinne. Ich sah, wie sich der Tisch hob, ich sah die Decke weit über mir. Ich glaube, ich wollte noch sagen: ›Wenn es um Lösegeld geht, bringt mich nach Hause zu meinem Haushofmeister.‹
    Aber ich wußte sogar jetzt, daß die Spielregeln meiner Welt nicht mehr galten. Als ich aufwachte, schien die Sonne, und ich befand mich in einem Wagen, der eilends über die ungepflasterte Straße durch einen endlosen Wald ratterte. Ich war an Händen und Füßen gefesselt, und man hatte mir eine leichte Decke übergeworfen. Ich konnte durch die geflochteten Weidenwände des Wagens blicken, und ich sah meine Tavernenbekanntschaft auf einem Pferd nebenher reiten. Andere ritten mit ihm, und sie waren alle in Hosen und gegürtete Lederwämse gekleidet, und sie trugen eiserne Schwerter und eiserne Armreife. In dem gesprenkelten Sonnenlicht sah ihr Haar fast weiß aus, und sie trabten schweigend neben dem Wagen her.
    Der Wald selbst schien für Riesen geschaffen zu sein. Die Eichen waren uralt und ragten mächtig auf, und das Geflecht ihrer Äste hielt fast alles Licht fern, und stundenlang zogen wir durch eine Schattenwelt aus feuchtem Grün.
    Ich kann mich nicht an Städte oder Dörfer erinnern. Ich erinnere mich nur an eine primitive Festung. Kaum waren wir hinter den Toren, als ich zwei Reihen strohbedeckter Hütten sah und überall die lederbekleideten Barbaren. Und nachdem ich in eine der Hütten gebracht worden war, eine dunkle, enge Stätte, und dort allein gelassen wurde, hatte ich solche Krämpfe in den Beinen, daß ich nicht mehr aufrecht stehen konnte, was meine Wut noch verstärkte.
    Ich wußte jetzt, daß ich in einer entlegenen Enklave der alten Kelten war, jener Krieger, die vor nur ein paar Jahrhunderten den großen Tempel in Delphi und wenig

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