Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
später Rom geplündert hatten, jene rauflustigen Subjekte, die splitternackt gegen Caesar in den Kampf gezogen waren.
In anderen Worten, ich saß ganz schön in der Tinte. Und falls das ganze Geschwätz über meine Wandlung in einen Gott heißen sollte, daß man beabsichtigte, mich auf einem blutverschmierten Altar in einem Eichenhain hinzuschlachten, war es höchste Zeit, sich aus dem Staub zu machen.
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Als mein Häscher wieder erschien, trug er die legendären langen, weißen Gewänder, und sein wüstes, blondes Haar war ordentlich gekämmt, und er machte einen tadellosen und feierlichen Eindruck. Ihm folgten andere weißgewandete Männer, einige alt, einige jung, und alle mit dem gleichen gelbleuchtenden Haar.
Schweigend stellten sie sich im Kreis um mich auf. Nach einer Weile stimmten sie eine Art flüsterndes Ostinato an.
›Du bist ideal als Gott‹, sagte der Alteste, und ich sah, wie sich mein Häscher heimlich freute. ›Du bist, was der Gott verlangt hat‹, sagte der Alteste. »Du wirst bis zum großen Samhainfest bei uns bleiben, dann wird man dich zum heiligen Hain bringen, wo du das göttliche Blut trinken und ein Vater der Götter werden wirst, um all die Magie wiedereinzuführen, deren wir auf unerklärliche Weise beraubt worden sind.‹
›Und wird mein Körper sterben, wenn es soweit ist?‹ fragte ich. Ich musterte ihre scharfgeschnittenen, schmalen Gesichter, ihre durchdringenden Augen. Die Krieger dieses Stammes mußten die Mittelmeervölker einst in wahre Panik versetzt haben. Kein Wunder, daß über ihre Furchtlosigkeit soviel geschrieben worden war. Aber das hier waren keine Krieger. Das waren die Lehrer der jungen, die Wahrer der Dichtkunst und der ungeschriebenen Gesetze. ›Nur was vergänglich ist an dir, wird sterben‹, sagte er. ›Pech gehabte sagte ich, ›da sonst an mir nichts ist.‹ ›Nein‹, sagte er. ›Deine Gestalt wird überdauern und verklärt werden. Du wirst sehen. Du hast nichts zu befürchten. Außerdem kannst du ohnehin nichts daran ändern. Bis zum Samhainfest wirst du dein Haar lang wachsen lassen, und du wirst unsere Sprache lernen und unsere Hymnen und Gesetze. Wir werden uns deiner annehmen. Ich heiße Mael und werde dein Lehrer sein.‹
›Aber ich bin nicht willens dieser Gott zu werden‹, sagte ich. ›Mit Sicherheit wollen die Götter keinen, der unwillig ist.‹
›Der alte Gott wird das entscheiden^ sagte Mael. ›Aber ich weiß, daß du der Gott werden und alles verstehen wirst, sobald du das Göttliche Blut trinkst. ‹ An Flucht war nicht zu denken.
Ich wurde Tag und Nacht bewacht. Ich durfte kein Messer haben, damit ich mir nicht das Haar abschnitt oder sonst etwas antat. Die meiste Zeit lag ich in dem dunklen, kahlen Zimmer, trunken von Weizenbier und übersättigt von Unmengen gebratenen Fleisches, das sie mir reichlich gaben. Die größte Qual aber war, daß ich nichts hatte, womit ich hätte schreiben können.
Aus lauter Langeweile hörte ich Maels Unterricht aufmerksam zu. Ich ließ ihn seine Hymnen vorsingen und seine alten Gedichte aufsagen und endlos über Gesetze dozieren, wobei ich ihn nur gelegentlich mit dem Hinweis verhöhnte, daß ein Gott eigentlich keinen Unterricht nötig haben sollte.
Das gab er zwar zu, aber was blieb ihm schon anderes übrig, als zu versuchen, mich in die künftigen Ereignisse einzuweisen.
»Du kannst mir helfen, von hier zu fliehen, du kannst mit mir ins römische Reich gehen ‹, sagte ich. »Ich habe eine eigene Villa über dem Golf von Neapel. So ein schönes Fleckchen Erde hast du noch nie gesehen, und ich ließe dich da für immer wohnen. Du müßtest mir nur diese ganzen Hymnen und Gebete und Gesetze noch einmal aufsagen, damit ich sie niederschreiben kann.‹
»Warum versuchst du, mich zu bestechen? ‹ fragte er dann, aber mir entging nicht, daß ihm meine Welt äußerst verlockend erschien. Er gab zu, daß er schon Wochen vor meiner Ankunft die Stadt Massilia aufgesucht habe und daß er von dem römischen Wein und dem Anblick der großen Schiffe im Hafen und den exotischen Speisen ehrlich begeistert gewesen sei.
»Ich versuche keineswegs, dich zu bestechen‹, sagte ich. »Ich teile nur deinen Glauben nicht, und du hast mich zu deinem Gefangenen gemacht. ‹
Aber aus Langeweile und Neugierde hörte ich weiterhin geduldig seinen Gebeten zu, und natürlich auch, weil mich eine unbestimmte Angst vor meiner nächsten Zukunft beschlichen hatte.
Ich sehnte ihn manchmal direkt herbei, seine
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