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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dem mit Tapeten ausgekleideten Salon mit den blankpolierten Möbeln und sah auf die Uhr. Erst sieben Uhr abends, noch fünf Stunden, bis er zurückkommen würde. Fünf Stunden, in denen der Durst in mir brennen würde. Und dann die Idee… diese Idee von mir.
    Ich faßte nicht direkt den Entschluß, es zu tun. Ich drehte der Uhr den Rücken zu und machte mich wieder auf den Weg in mein Zimmer. Ich wußte, daß schon Hunderte vor mir dieselbe Idee gehabt haben mußten. Und wie gut er die stolzen Gefühle beschrieben hatte, die er bei der Vorstellung hatte, sie wieder aufwecken zu können. Sie dazu bringen zu können, sich zu bewegen.
    Nein . Ich tu’s, weil ich es tun will, auch wenn gar nichts passiert, was bestimmt der Fall sein wird. Ich will einfach nur allein dort hinuntergehen und es versuchen. Vielleicht hat es etwas mit Nicki zu tun. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht!
    Ich ging wieder in mein Zimmer, und in dem flimmernden Licht, das vom Meer aufstieg, öffnete ich den Geigenkasten und stand da und starrte auf die Stradivari.
    Natürlich wußte ich nicht, wie man auf ihr spielen mußte, aber wir sind großartige Imitatoren. Wie Marius ganz richtig gesagt hatte, besaßen wir eine ungewöhnliche Konzentrationsfähigkeit und ungewöhnliche Talente. Und ich hatte Nicki so oft beim Spielen zugesehen.
    Ich spannte den Bogen und strich mit dem kleinen Stück Geigenharz über das Pferdehaar, wie er es immer getan hatte.
    Noch vor zwei Nächten hätte ich nicht einmal den Gedanken ertragen, dieses Ding anzufassen. Seine Töne zu hören, hätte mir unsagbare Qualen bereitet.
    Jetzt nahm ich die Geige aus ihrem Kasten und trug sie durchs Haus, genauso wie ich sie durch die Kulissen des Theaters der Vampire zu Nicki getragen hatte, und ohne auch nur an Anmaßung zu denken, lief ich immer schneller und schneller bis zu der Tür und die geheime Treppe hinunter.
    Es war, als würden sie mich zu sich hinziehen, als hätte ich überhaupt keinen eigenen Willen. Marius zählte jetzt nicht mehr.
    Nichts zählte, außer den schmalen, feuchten Steinstufen, die ich hinunterhastete, schneller und schneller, vorbei an den Fenstern mit der Meeresgischt und dem fahlen Licht der Abenddämmerung. Meine blinde Leidenschaft war so übermächtig, so absolut, daß ich plötzlich innehielt und mich fragte, ob sie wirklich aus mir selbst heraus entstanden war. Aber wie dumm das war. Wer sonst hätte sie verursachen sollen? JENE, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN? Das zu glauben, wäre nun wirklich eine Anmaßung gewesen, und außerdem, woher hätten diese Kreaturen überhaupt wissen sollen, was für ein seltsames köstliches kleines Holzinstrument das war?
    Es gab doch Töne von sich, nicht wahr, die noch nie jemand gehört hatte in der Alten Welt, Töne, die so menschlich und so eindringlich waren, daß die Geige als ein Werkzeug des Teufels angesehen wurde und ihre besten Spieler als vom Teufel besessen galten.
    Ich fühlte mich schwindlig, verwirrt.
    Wie war ich nur die Treppe heruntergekommen, und hatte ich denn vergessen, daß die Tür von innen verriegelt war? In fünfhundert Jahren vielleicht würde es mir gelingen, den Riegel aufzustoßen, aber doch nicht jetzt.
    Trotzdem ging ich weiter, und diese Gedanken rissen ab und verflüchtigten sich genauso schnell, wie sie gekommen waren. Mein Körper brannte wieder, und der Durst machte alles nur noch schlimmer, obgleich der Durst nichts damit zu tun hatte.
    Und als ich um die letzte Ecke bog, sah ich, daß die Türen der Kapelle weit offenstanden. Das Licht von den Lampen ergoß sich in den Treppenschacht. Und der Duft der Blumen und des Weihrauchs war plötzlich so stark, daß es mir die Kehle zuschnürte.
    Ich ging näher heran, die Geige mit beiden Händen an die Brust gedrückt, auch wenn ich nicht wußte, warum ich das tat. Und die Türen des Tabernakels standen offen, und da saßen sie.
    Jemand hatte ihnen noch mehr Blumen gebracht. Jemand hatte das Räucherwerk in Form von Plätzchen auf goldenen Platten ausgelegt.
    Gleich am Eingang der Kapelle blieb ich stehen und sah sie an, und auch sie schienen mich anzusehen.
    Weiß, so weiß, daß ich sie mir gar nicht in Bronze vorstellen konnte, und, wie es schien, so hart wie die Juwelen, die sie trugen.
    Schlangenreifen um ihren Oberarm. Lagenweise Halsketten. Kleinste FIeischfältchen an seiner Brust über dem sauberen Leinenhemd, das er trug.
    Ihr Gesicht war schmaler als das seine, ihre Nase ein ganz klein wenig länger. Seine Augen waren

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