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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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»Vielleicht hätte ich den König und die Königin im Meer begraben. Vielleicht hätte ich sie vernichtet und dabei uns alle mit. Und das wollte ich nicht. Und darum habe ich nichts getan. Was hätte ich denn tun sollen, wenn es nach dir gegangen wäre? Ich konnte dir deine Bürde nicht abnehmen. Ich konnte dir nicht helfen.
    Also bin ich nicht gekommen.«
    Diese Antwort war besser, als er erwartet hatte. Es war nicht unmöglich, dieses Geschöpf zu mögen. Andererseits war das erst der Anfang. Und ihre Antwort - sie war noch nicht die ganze Wahrheit.
    »Nein? Was ist die ganze Wahrheit?« fragte sie. »Daß ich dir nichts schuldig war, am wenigsten das Wissen um meine Existenz. Und was berechtigt dich zu der Unverschämtheit, daß ich mich dir hätte zu erkennen geben sollen? Ich habe Tausende wie dich gesehen. Ich weiß, wann du erschaffen worden bist. Ich weiß, wann du zugrunde gehst. Wir befinden uns alle in Gefahr. Alle Lebenden sind in Gefahr! Und wenn das vorbei ist, werden wir einander vielleicht lieben und respektieren. Vielleicht auch nicht. Vielleicht werden wir alle tot sein.«
    »Möglich«, sagte er ruhig. Er konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Sie hatte recht. Und er mochte die Art, wie sie so knallhart die Dinge aussprach. Nach seiner Erfahrung waren alle Unsterblichen unwiderruflich von dem Zeitalter geprägt, in dem sie geboren worden waren. Und das traf auch auf sie zu, deren Worte von grimmer Schlichtheit waren, obwohl mit anheimelnd weicher Stimme ausgesprochen. »Ich bin nicht ich selbst«, fuhr er zögernd fort. »Ich habe das alles nicht so gut überstanden, wie ich es hätte überstehen sollen. Mein Körper ist geheilt - das alte Wunder.
    Aber ich begreife meine gegenwärtige Sicht der Dinge nicht, die Verbitterung, die völlige …« Er unterbrach sich. »Die völlige Dunkelheit«, sagte sie. »Ja. Noch nie war das Leben so sinnlos erschienen. Nicht für uns, sondern - um mit deinen Worten zu sprechen - für alle lebenden Dinge. Das ist doch ein Witz, oder? Das Bewußtsein ist doch nur ein Witz.«
    »Nein«, sagte sie. »Das stimmt nicht.«
    »Ich bin anderer Ansicht. Sag mir, wieviel tausend Jahre hast du schon gelebt, ehe ich geboren wurde? Wieviel weißt du, was ich nicht weiß?« Wieder mußte er daran denken, wie er eingekerkert gewesen war, wie das Eis ihm Schmerzen durch alle Glieder gejagt hatte. Er mußte an die Stimmen der Unsterblichen denken, die ihm geantwortet hatten; an die Befreier, die ihm entgegeneilten und allesamt in Akaschas Flammen umkamen. Er hatte sie sterben gehört und gesehen! Und was hatte ihm Schlaf bedeutet? Der Traum über die Zwillinge.
    Plötzlich umgriff sie zärtlich seine rechte Hand. Es kam ihm vor, als würde er in den Schlund einer Maschine reichen.
    »Marius, wir brauchen dich jetzt«, sagte sie erregt.
    »Aber warum bloß, um Himmels willen?«
    »Laß deine Scherze«, antwortete sie. »Komm ins Haus. Wir müssen uns unterhalten, solange wir noch Zeit haben.«
    Anmutig öffnete sie ihre Arme. Die Geste schockierte ihn, da er in den Träumen so oft gesehen hatte, wie sie sich auf diese Weise anschickte, ihre Schwester zu umarmen. »Ich heiße Maharet«, sagte sie. »Sprich mich mit meinem Namen an, und begrabe dein Mißtrauen. Komm in mein Haus.«
    Sie beugte sich vor, nahm sein Gesicht in ihre Hände und küßte ihn auf die Wange. Ihr rotes Haar berührte seine Haut, was ihn verwirrte. Auch der Parfumgeruch, der ihren Kleidern entstieg, verwirrte ihn - ein orientalischer Weihrauchduft, der ihn an den Schrein erinnerte.
    »Maharet«, sagte er wütend. »Wenn ich gebraucht werde, warum bist du dann nicht gekommen, als ich in diesem Gefängnis aus Eis schmachtete? Hätte sie dir  Einhalt gebieten können?«
    »Marius, ich bin gekommen«, sagte sie. »Und jetzt bist du hier bei uns.« Sie ließ die Hände sinken. »Glaubst du vielleicht, ich hätte während all der Nächte, als die Unseren zerstört wurden, nichts zu tun gehabt? Weltweit metzelte sie jene nieder, die ich geliebt oder gekannt hatte. Und dann hatte ich auch noch an meinem eigenen Unglück zu tragen …« Sie hielt inne.
    Sie litt körperliche und seelische Schmerzen, und ihre Augen teilten sich mit Bluttränen. Schon seltsam, wie gebrechlich die Augen in diesem unzerstörbaren Körper waren. Und das Leiden, das sie verströmte, war ihm unerträglich - es war wie die Träume selbst, die Träume von den Zwillingen, die ihn wie mit einem Fluch

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