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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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den Leib unserer Mutter, um den heiligen Leichenschmaus zu schützen, aber schon hatten sie uns hoch- und fortgezerrt, und wir sahen, wie die Teller in den Schmutz fielen und die Steinplatte umgestürzt wurde!
    Meine Ohren vernahmen Verwünschungen; Männer beschimpften uns als Fleischesser, Kannibalen, Männer beschimpften uns als Wilde, die durch das Schwert umkommen müßten.
    Doch niemand fügte uns ein Leid zu. Schreiend und ringend wurden wir gefesselt, und hilflos mußten wir mit ansehen, wie alle unsere Verwandten und Bekannten niedergemetzelt wurden. Soldaten trampelten auf dem Körper unserer Mutter herum, sie trampelten auf ihrem Herzen und ihrem Hirn und ihren Augen herum. Sie traten kreuz und quer durch die Asche, während ihre Kohorten die Männer und Frauen und Kinder unseres Dorfes aufspießten.
    Und dann hörte ich durch den Chor der Schreie, durch das entsetzliche Aufschreien all dieser Hunderte, die am Berghang starben, wie Mekare unsere Geister zur Vergeltung aufrief, sie aufrief, die Soldaten für das, was sie getan hatten, zu strafen.
    Doch was bedeutete Männern wie diesen Sturm oder Regen? Die Bäume wankten, die Erde selbst schien zu beben, die Luft war angefüllt mit Blättern wie schon in der Nacht zuvor. Felsbrocken stürzten den Berg hinab, Staubwolken stiegen auf. Doch der König, Enkil, zögerte kaum eine Sekunde, selbst vorzutreten und seinen Männern zu erklären, daß es nur Blendwerk war, was sie erlebten, und daß wir und unsere Dämonen zu mehr nicht fähig seien.
    So wurde das Massaker unablässig fortgesetzt. Meine Schwester und ich waren zu sterben bereit, doch sie töteten uns nicht. Sie hatten nicht die Absicht, uns zu töten, und als sie uns fortschleiften, sahen wir unser Dorf brennen, sahen die Felder wilden Weizens brennen, sahen alle Männer und Frauen unseres Stammes erschlagen, und wir wußten, ihre Körper würden hemmungslos und voller Verachtung den Tieren und der Erde überlassen werden.«
    Maharet unterbrach sich. Sie hatte mit ihren Händen einen kleinen Spitzturm geformt und berührte nun mit den Fingerspitzen ihre Stirn, wie um auszuruhen, bevor sie fortfuhr. Ihre Stimme war etwas rauher und leiser, als sie weitererzählte, doch fest wie zuvor.
    »Was ist ein kleines Land mit Dörfern? Was ist ein Volk - oder auch ein Leben?
    Unter der Erde sind tausend solcher Völker begraben. Und so liegt unser Volk bis heute begraben.
    Alles, was wir wußten, alles, was wir gewesen waren, war innerhalb einer Stunde ausgelöscht worden.
    Über dem Berg, über dem Dorf an seinem Fuß spürte ich die Gegenwart der Geister der Toten; eine riesige Wolke von Geistern;
    einige waren so erregt und verwirrt durch die Gewalt, die ihnen angetan worden war, daß sie sich vor Entsetzen und Schmerz an die Erde klammerten, und andere erhoben sich über das Fleisch, um nicht mehr leiden zu müssen.
    Und was konnten die Geister tun?
    Sie folgten unserem Zug den ganzen Weg nach Ägypten, sie plagten die Männer, die uns in Fesseln hielten und in einer Sänfte auf ihren Schultern trugen - zwei weinende Frauen, die sich voller Entsetzen und Gram eng aneinanderkauerten.
    Jeden Abend, wenn die Gesellschaft ihr Lager aufschlug, schickten die Geister Sturm, um die Zelte umzureißen. Aber der König ermahnte seine Soldaten, sich nicht zu fürchten. Der König sagte, die Götter Ägyptens seien mächtiger als die Dämonen der Hexen. Und da die Geister tatsächlich alles taten, dessen sie fähig waren, und nichts Schlimmeres geschah, gehorchten die Soldaten.
    Jeden Abend ließ der König uns vorführen. Er sprach unsere Sprache, die damals in der Welt verbreitet war. >Ihr seid bedeutende Hexen <, sagte er dann in höflichem und aufreizend ernsthaftem Ton. >Deshalb habe ich eure Leben verschont, obwohl ihr Fleischesser seid, wie alle eure Landsleute es waren, und ich und meine Männer euch auf frischer Tat ertappt haben. Ich habe euch verschont, denn ich möchte aus eurer Weisheit Nutzen ziehen. Ich möchte von euch lernen, und meine Königin möchte auch lernen. Sagt mir, womit ich eure Leiden lindern lassen kann, und ich werde es tun. Ihr steht jetzt unter meinem Schutz; ich bin der König. <
    Weinend standen wir vor ihm, wichen seinen Blicken aus, sagten nichts, bis er dessen müde wurde und uns zum Schlafen zurück in die Enge der Sänfte schickte - einem winzigen Holzkasten mit nur kleinen Fenstern -, aus der wir gekommen waren. Wieder allein, sprachen meine Schwester und ich schweigend

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