Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Gesichtszüge eines gewöhnlichen Menschen zu sehen gewesen waren. Und jetzt waren sie verschwunden, und er bebte sichtlich vor Zorn. »Uns ist ein Monster abhanden gekommen, und es ist unsere Aufgabe, es zurückzuholen.«
»Und wie kann das geschehen?« fragte Santino. »Du redest, als sei das einfach eine Sache des Willens. Du kannst sie nicht töten!«
»Wir verlieren unser Leben, so funktioniert das«, sagte Marius. »Wir handeln gemeinsam, und wir beenden dies alles, wie es schon vor langer Zeit hätte geschehen sollen.« Er sah sie der Reihe nach an und ließ seinen Blick auf Jesse ruhen. Dann wandte er sich an Maharet. »Der Körper ist nicht unzerstörbar. Er ist nicht aus Marmor. Er kann durchbohrt, zerschnitten werden. Ich habe ihn mit meinen Zähnen durchstochen. Ich habe sein Blut getrunken!«
Maharet machte eine schwache, abwehrende Geste, wie um zu sagen, ich weiß das alles, und du weißt, daß ich es weiß.
»Und wenn wir ihn zerschneiden, zerschneiden wir uns selbst?« fragte Eric. »Ich würde sagen, wir verschwinden hier. Ich würde sagen, wir verstecken uns vor ihr. Was haben wir davon, wenn wir hierbleiben?«
»Nein!« sagte Maharet.
»Sie wird euch einen nach dem anderen töten, wenn ihr das tut«, sagte Khayman. »Ihr lebt noch, weil ihr jetzt zu ihrer Verfügung auf sie wartet.«
»Würdest du bitte mit der Geschichte fortfahren«, sagte Gabrielle, Maharet direkt ansprechend. Sie hatte sich die ganze Zeit zurückgehalten, den anderen nur hin und wieder zugehört. »Ich möchte den Rest erfahren«, sagte sie. »Ich möchte alles hören.« Sie lehnte sich vor, verschränkte die Arme auf dem Tisch.
»Meinst du, du entdeckst in diesen alten Geschichten irgendeine Möglichkeit, sie zu überwältigen?« fragte Eric. »Du bist verrückt, wenn du das glaubst.«
»Fahre mit der Geschichte fort, bitte«, sagte Louis. »Ich möchte…« Er zögerte. »Ich möchte auch wissen, was geschehen ist.«
Maharet sah ihn lange an.
»Fahre fort, Maharet«, sagte Khayman. »Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird Die Mutter vernichtet werden, wir beide wissen, wie und warum, und all das Gerede hat keinen Sinn.«
»Was können Prophezeiungen jetzt bedeuten, Khayman?« fragte Maharet mit leiser, kraftloser Stimme. »Verfallen wir in dieselben Fehler, die Die Mutter irreleiten? Die Vergangenheit mag uns belehren. Aber sie wird uns nicht retten.«
»Deine Schwester kommt, Maharet. Sie kommt, wie sie gesagt hat.«
»Khayman«, sagte Maharet mit einem langen, bitteren Lächeln.
»Erzähle uns, was geschehen ist«, sagte Gabrielle.
Maharet saß unbeweglich, als suchte sie nach einer Möglichkeit zu beginnen. Der Himmel vor den Fenstern verdunkelte sich in der Zwischenzeit. Doch ganz im Westen erschien eine leichte Rötung, die neben den grauen Wolken immer stärker leuchtete. Schließlich verschwand’ sie, und sie waren von absoluter Finsternis umgeben, abgesehen vom Schein des Feuers und dem matten Glanz der gläsernen Wände, die zu Spiegeln geworden waren.
»Khayman nahm dich mit nach Ägypten«, sagte Gabrielle. »Was hast du da erlebt?«
»Ja, er nahm uns mit nach Ägypten«, sagte Maharet. Sie seufzte, als sie sich im Stuhl zurücklehnte, den Blick auf den Tisch vor sich gerichtet. »Es gibt kein Entkommen; Khayman hätte uns mit Gewalt mitgenommen. Und in Wirklichkeit sahen wir auch ein, daß wir gehen mußten. Über zwanzig Generationen hatten wir uns zwischen den Menschen und den Geistern bewegt. Falls Amel etwas sehr Böses angerichtet hatte, wollten wir versuchen, es rückgängig zu machen. Oder zumindest wollten wir - wie ich euch sagte, als wir uns das erste Mal an diesem Tisch getroffen haben - versuchen zu verstehen.
Ich verließ meine Tochter. Ich ließ sie in der Obhut jener Frauen zurück, denen ich am meisten vertraute. Ich küßte sie; ich erzählte ihr Geheimnisse. Und dann verließ ich sie, und wir machten uns auf, getragen in der königlichen Sänfte, als seien wir Gäste des Königs und der Königin von Kernet und nicht Gefangene, genau wie vorher.
Khayman war auf dem langen Marsch uns gegenüber milde, aber grimmig und schweigsam, und er wich unseren Blicken aus. Und das war auch ganz in Ordnung, denn wir hatten unsere Wunden nicht vergessen. Dann, am letzten Abend, als wir am Ufer des großen Flusses lagerten, den wir am nächsten Morgen überqueren wollten, um den königlichen Palast zu erreichen, rief Khayman uns in sein Zelt und erzählte uns alles, was er wußte.
Er war
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