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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Einhalt gebieten könne. Damit er zum Vampir Lestat gehen könne.«
    »Ah! Dieser Grünschnabel hat das also angerichtet!«
    Ein heftiges, schmerzendes Schaudern durchfuhr sie. Vor ihrem inneren Auge sah sie die starren Gesichter Der Mutter und Des Vaters, unzerstörbare Wesen in Menschengestalt. Sie blickte Azim verwirrt an. Er hatte innegehalten, war aber noch nicht zu Ende. Und sie wartete auf das, was er noch mitzuteilen hatte. »Nein«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr von Zorn entstellt. »Es besteht Gefahr, Pandora, das stimmt. Große Gefahr, und das hätten wir auch ohne Marius’ Ankündigung gemerkt. Es hat jedenfalls etwas mit den rothaarigen Zwillingen zu tun.« Wie ungewöhnlich ernst war er doch! »Das weiß ich«, sagte er, »weil ich schon alt war, ehe es Marius überhaupt gab. Die Zwillinge, Pandora. Vergiß Marius. Und schenke deinen Träumen größte Bedeutung.«
    Sie war sprachlos, beobachtete ihn. Er sah sie lange an, dann schienen seine Augen kleiner zu werden, zu erstarren. Sie spürte, wie er sich von ihr und allem, was er gesagt hatte, zurückzog. Schließlich sah er sie nicht mehr.
    Er vernahm das beharrliche Wehklagen seiner Anbeter; er hatte wieder Durst; ihn verlangte nach Hymnen und Blut. Er drehte sich um und begab sich zur Tür, dann blickte er zurück.
    »Komm mit mir, Pandora! Bleib bei mir, wenn auch nur für eine Stunde!« Seine Stimme war belegt, verschwommen.
    Die Einladung überrumpelte sie förmlich. Sie dachte nach. Jahre war es her, da sie das erlesene Vergnügen zuletzt begehrt hatte. Sie dachte nicht nur an das Blut, sondern an das flüchtige Einswerden mit einer anderen Seele.
    Und nun plötzlich bot sich ihr die Gelegenheit - unter jenen, die das höchste Gebirge der Welt erklommen haben, um diesen Tod zu finden. Sie mußte auch an die Aufgabe denken, die ihrer harrte - Marius zu finden - und an all die Opfer, die damit verbunden waren.
    »Komm, Liebste.«
    Sie nahm seine Hand. Sie ließ sich aus dem Zimmer und in die Mitte des überfüllten Saals führen. Das grelle Licht blendete sie; ja, wieder Blut. Der Geruch der Menschen drang in sie ein, peinigte sie.
    Das Geschrei der Gläubigen war ohrenbetäubend. Das Stampfen der Menschenfüße schien die bemalten Wände und die glimmende, goldene Decke zu erschüttern. Der Weihrauch brannte in ihren Augen. Eine schwache Erinnerung an den Schrein, Jahrtausende war es jetzt schon her, überkam sie, an Marius, wie er sie umarmte. Azim nahm ihr den Kapuzenmantel ab und gab ihr Gesicht, ihre nackten Arme, ihr schwarzes Wollkleid und ihr langes braunes Haar den Blicken preis. Sie sah, wie sie sich in tausend sterblichen Augenpaaren spiegelte.
    »Die Göttin Pandoral« schrie er und warf seinen Kopf zurück.
    Schreie erhoben sich über die dumpfen Trommelwirbel. Zahllose Menschenhände suchten sie zu berühren. »Pandora, Pandora, Pandora!« Und dazwischen: »Azim!«
    Ein junger, braunhäutiger Mann tanzte vor ihr, das weiße Seidenhemd klebte an seiner verschwitzten Brust. In seinen schwarzen, feurigen Augen glühte nur ein einziger Wunsch. Ich bin dein Opfert Göttin! Sie sah plötzlich nur noch seine Augen, sein Gesicht. Sie umarmte ihn, brach vor Eile seine Rippen, dann drangen ihre Zähne tief in seinen Hals. Leben. Das Blut ergoß sich in ihr Inneres, erreichte ihr Herz und füllte die Kammern, um dann all ihre kalten Gliedmaßen mit Wärme zu durchfluten. Sie hatte vergessen, welche Verzückung diese lustvolle Begierde auszulösen vermochte. Der Tod entsetzte sie, verschlug ihr buchstäblich den Atem. Sie stöhnte, war wie geblendet. Dann gewahrte sie plötzlich in lähmender Deutlichkeit, daß die Marmorsäulen lebten und atmeten. Sie ließ den Körper des Mannes fallen und griff sich einen anderen Jüngling. Er war halb verhungert, doch selbst an der Schwelle des Todes zeigte er noch so viel Stärke, daß es sie rasend machte.
    Während sie trank, brach sie sein zartes Genick, und sie hörte, wie ihr Herz anschwoll, spürte, daß sich sogar ihre Haut mit Blut füllte. Ehe sie die Augen schloß, sah sie noch, wie ihre Hände wieder Farbe annahmen, ja, Menschenhände wurden. Der Tod trat diesmal langsamer ein, widerstrebender, um sich dann einem Brausen verdämmernden Lichts und tosenden Lärms hinzugeben. Leben.
    »Pandora! Pandora! Pandora!«
    Gott, gibt es keine Gerechtigkeit, kein Ende?
    Sie stand da, wiegte sich in den Hüften, und gespenstische Menschengesichter tanzten vor ihr auf und ab. Das Blut kochte, suchte

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