Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Barbiers zu rasieren und sorgfältig anzukleiden, wobei er aus Daniels schmutziger und verschlampter Garderobe die Kleider wählte. Daniel liebte es, diese festen weißen Hände auf seinem nackten Fleisch zu spüren und diese braunen Augen, die Daniel aus sich selbst herauszuziehen schienen; und er liebte die Gewißheit, daß die Hände sich gleich sanft um seinen Hals legen, die Zähne sich in seine Haut senken würden.
Er schloß die Augen, sein Körper erwärmte sich langsam, um in Hitze zu geraten, wenn Armands Blut seine Lippen berührte. Er hörte wieder das ferne Stöhnen, die Schreie - der verlorenen Seelen?
Einmal hielt er Armand mit aller Kraft fest und versuchte seinem Hals eine Wunde zuzufügen. Armand war von rührender Geduld, er riß sich den Hals selbst auf und ließ ihn lange gewähren, ehe er ihn sanft von sich stieß.
Daniel verrügte schon längst nicht mehr über eigene Entschlußkraft. Er lebte in zwei sich abwechselnden Zuständen: Elend und Ekstase, vereinigt vom Band der Liebe. Er wußte nie, wann er wieder Blut schlürfen durfte. Er wußte nie, ob sich ihm nur dadurch die Dinge so seltsam darstellten — die Nelken, die ihn aus den Vasen anstarrten, die abscheulichen Wolkenkratzer, die aussahen, als seien sie über Nacht aus stählernen Samen in die Höhe geschossen — oder weil er ganz einfach seinen Verstand verlor.
Dann kam die Nacht, in der Armand sagte, er sei jetzt ernsthart bereit, in dieses Jahrhundert zu treten, er wisse jetzt genug darüber. Er wollte »unermeßlichen« Wohlstand. Er wollte einen weitläufigen Wohnsitz, angefüllt mit all jenen Dingen, die er zu schätzen gelernt hatte. Und Jachten und Flugzeuge und Autos — und Millionen von Dollars. Er wollte Daniel alles kaufen, was sich Daniel nur wünschte.
»Was soll das heißen, Millionen?« spottete Daniel. »Seine Kleider wegwerfen, nachdem man sie einmal getragen hat, Wohnungen anmieten und vergessen, wo sie sind? Weißt du eigentlich, was eine Postleitzahl oder Steuerklasse ist? Ich bin doch derjenige, der diese ganzen verdammten Flugzeugtickets kauft. Millionen. Wo sollen wir denn diese ganzen Millionen herbekommen?! Klau dir halt noch ‘nen Maserati, und gib dich dann um Himmels willen zufrieden!«
»Daniel, du bist ein Geschenk von Louis an mich«, sagte Armand sanft. »Was würde ich ohne dich tun? Du mißverstehst alles.« Seine Augen waren weit aufgerissen wie die eines Kindes. »Ich möchte im Mittelpunkt des Lebens stehen wie damals in Paris im Theater der Vampire. Ich möchte ein Geschwür im Auge der Welt sein.« Daniel schwindelte der Kopf, so schnell jagten sich die Ereignisse.
Es fing mit einer Schatzsuche in den Gewässern bei Jamaika an, Armand mietete ein Boot, um Daniel zu zeigen, wo die Bergungsarbeiten vonstatten zu gehen hatten. Wenige Tage später wurde eine spanische Galeere entdeckt, die mit Goldbarren und Juwelen beladen war. Kurz danach stießen sie auf einen archäologischen Fund und unendlich wertvolle olmekische Figurinen. Gleich danach wurden zwei weitere versunkene Schiffe ausgemacht. Ein preiswert erworbenes Stück Land in Südamerika erwies sich als eine längst vergessene Smaragdmine.
Sie erwarben ein Herrenhaus in Florida, Jachten, Schnellboote, ein kleines, aber hervorragend ausgestattetes Flugzeug.
Und jetzt mußten sie sich natürlich auch noch fürstlich einkleiden, für alle Gelegenheiten. Armand selbst hielt ein Auge darauf, wenn Daniel Maß genommen wurde für seine Hemden, Anzüge und Schuhe. Er wählte die Stoffe aus für unendlich viele Sportjacketts, Hosen, Umhänge, Seidenschals. Natürlich mußte Daniel für die kälteren Zonen dieser Erde mit Nerz eingefaßte Regenmäntel besitzen und Smokings für Monte Carlo und mit Juwelen besetzte Manschettenknöpfe und auch noch einen langen schwarzen Wildledermantel.
Wenn Daniel bei Sonnenuntergang erwachte, lagen die Kleider schon für ihn bereit. Wehe, wenn er auch nur etwas auswechselte vom Leinentaschentuch bis zu den schwarzen Seidensocken. Das Abendessen erwartete ihn in dem riesigen Speisezimmer, dessen Fenster zum Schwimmbad hin offenstand. Armand saß dann bereits an seinem Schreibtisch in dem anschließenden Arbeitszimmer. Es gab jede Menge Arbeit: Landkarten mußten studiert, neue Reichtümer angehäuft werden.
»Aber wie stellst du das an?« fragte Daniel, wenn er Armand zusah, wie er Notizen machte, seine Anweisungen für Neuerwerbungen niederschrieb.
»Wenn man die Gedanken der Menschen zu lesen
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