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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. In einem silbernen Mercedes war er in einer einzigen Nacht von Rom über Florenz nach Venedig gerast. Er mochte auch fernsehen - die ganze Elektronik, mit ihren kleinen blinkenden Lämpchen. Es war einfach wohltuend, in Gesellschaft eines Fernsehers zu sein, in Gesellschaft so vieler kunstvoll geschminkter Gesichter, die freundschaftlich von der flimmernden Mattscheibe zu einem sprachen. Und Rock and Roll mochte er auch. Er mochte jegliche Musik. Er mochte, wie der Vampir Lestat das Requiem für die Marquise sang. Den Worten schenkte er weiter keine Beachtung. Die düstere Melancholie der Schlagzeugbegleitung hatte es ihm angetan. Am liebsten hätte er zu tanzen angefangen.
    Er mochte die riesigen gelben Maschinen, die in Großstädten spät nachts die Erde aufwühlten; er mochte die Doppeldeckeromnibusse Londons, und die Leute - diese klugen Sterblichen überall -, die mochte er natürlich auch.
    Er liebte es, in den Abendstunden durch Damaskus zu streifen und in seinem verwirrten Gedächtnis eine Stadt aus längst versunkenen Zeiten wieder aufblitzen zu sehen. Römer, Griechen, Perser, Ägypter waren in diesen Straßen. Er mochte die Bibliotheken, in denen er Fotografien alter Baudenkmäler und wohlriechende Bücher finden konnte. Die neuen Städte, die er besuchte, fotografierte er selbst, und manchmal gelang es ihm, diese Fotos mit eigenen Gedankenbildern zu beleben. So waren beispielsweise die Leute auf seiner
    Fotografie in Rom mit Tuniken und Sandalen bekleidet.
    Ach, ja, er mochte vieles, das um ihn herum geschah - die Geigenmusik von Bartok, kleine Mädchen in schneeweißen Kleidern, die aus der Kirche kamen, wo sie gerade zur Mitternacht die Weihnachtsmesse gesungen hatten.
    Natürlich mochte er auch das Blut seiner Opfer. Das war ganz selbstverständlich.
    Das gehörte nicht zu seinem kleinen Witz. Über den Tod pflegte er nicht zu scherzen. Er schlich sich lautlos an seine Beute heran; er wollte seine Opfer nicht sehen. Wenn ein Sterblicher zu ihm sprach, wandte er sich sofort ab. Seiner Meinung nach schickte es sich einfach nicht, mit diesen lieben, sanftäugigen Wesen auch nur ein Wort zu wechseln, um dann ihr Blut gierig zu schlürfen, ihre Knochen zu brechen und ihr Mark auszusaugen, ihre Glieder zu zerquetschen, bis sie nur noch ein matschiger Brei waren. Wenn er sich an ihnen gütlich tat, dann mit roher Gewalt. Das Blut war ihm eigentlich gar keine Notwendigkeit mehr; aber er wollte es, weniger aus Durst als aus nackter Gier. Mit Leichtigkeit hätte er drei bis vier Sterbliche pro Nacht aussaugen können.
    Doch war er sich sicher, vollkommen sicher, daß er selbst einmal ein Mensch gewesen war. In der Sonnenhitze des Tages lustwandeln, ja, einst hatte er das getan, obwohl er das nun ganz sicher nicht mehr tun konnte. Er sah sich an einem Holztisch sitzend und mit einem kleinen Kupfermesser einen reifen Pfirsich zerschneiden. Eine schöne Frucht vor ihm. Er konnte sich an den Geschmack noch erinnern. Er konnte sich an den Geschmack von Brot und Bier erinnern. Er sah das Sonnenlicht auf dem gelben Sand, der sich kilometerweit vor ihm ausbreitete.
    »Lege dich hin und ruhe dich unter der wärmenden Sonne aus«, hatte einmal jemand zu ihm gesagt.
    War das der letzte Tag seines Lebens gewesen? Ruhe dich aus, ja, weil heute nacht der König und die Königin ihren ganzen Hofstaat zusammenrufen werden, und etwas Schreckliches, etwas …
    Aber er konnte sich nicht wirklich erinnern. Er wußte es einfach nur, das heißt bis zu dieser Nacht. Dieser Nacht…
    Er konnte sich nicht einmal erinnern, als er den Vampir Lestat hörte. Der Typ hatte es ihm einfach ein klein wenig angetan - ein Rocksänger, der sich als Blutsauger bezeichnete. Und er sah tatsächlich unirdisch aus, aber das konnte auch am Fernseher liegen. Viele Menschen in der schwindelerregenden Welt der Rockmusik hatten ein unirdisches Aussehen. Und in der Stimme des Vampirs Lestat schwang soviel menschliches Gefühl mit. Es war nicht bloß Gefühl; es war menschlicher Ehrgeiz ganz besonderer Art. Der Vampir Lestat wollte ein Held sein. Wenn er sang, sagte er: »Gesteht mir meine Bedeutung zu! Ich bin ein Symbol des Bösen; und wenn ich ein wahres Symbol bin, dann bin ich gut.« Faszinierend. Nur ein Mensch konnte so paradox denken. Und er selbst wußte das, schließlich war er ja auch einmal ein Mensch gewesen.
    Freilich vermochte er auf übernatürliche Weise die Dinge

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