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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Tagebuch enthalte übrigens nur noch ein paar recht bedeutungslose Eintragungen. Die Parapsychologen hätten aus ihrer Untersuchung des Rosenkranzes und der Puppe nichts erfahren. Man würde diese Dinge sorgfältig aufbewahren. Jesse solle nicht mehr darüber nachdenken.
    Jesse gebärdete sich wie ein Berseker, flehte, wieder eingesetzt zu werden. Aber es war, als wollte man den Vatikan von seinen Grundsätzen abbringen. Irgendwann, in zehn oder zwanzig Jahren, dürfe sie sich wieder diesem Aufgabenbereich zuwenden. Niemand schließe diese Möglichkeit aus, aber im Moment laute die Antwort nein. Jesse solle sich ausruhen, gesund werden, ihre Erlebnisse vergessen.
    Ihre Erlebnisse vergessen …
     
    Wochenlang war sie krank. Den ganzen Tag trug sie weiße Flanellhemden und trank literweise heißen Tee. Sie saß am Fenster ihres Zimmers und schaute auf den Park mit seinen alten Eichen. Sie sah den an- und abfahrenden Autos zu, kleine Stücke geräuschloser Farbe, die sich über die ferne Kiesstraße bewegten. Die Ruhe tat ihr wohl. Sie verwöhnten sie mit allen möglichen Leckereien. David kam und sprach mit ihr über alles außer Vampire. Aber Aaron überfüllte ihr Zimmer mit Blumen. Auch die anderen besuchten sie.
    Sie redete wenig oder überhaupt nicht. Sie konnte ihnen nicht erklären, wie sehr man sie verletzt hatte, wie sie das alles an den längst vergangenen Sommer erinnerte, als man ihr den Zugang zu anderen Geheimnissen und Dokumenten versperrt hatte. Es war die gleiche alte Geschichte. Sie hatte etwas von unschätzbarer Wichtigkeit entdeckt, nur um dann fortgestoßen zu werden.
    Und jetzt würde sie ihre Erfahrungen und Erlebnisse nie verstehen. Sie mußte hier in der Abgeschiedenheit mit ihrem Schmerz fertig werden. Warum hatte sie bloß nicht den Telefonhörer hochgenommen, mit der Stimme am anderen Ende der Leitung gesprochen?
    Und das Kind, was hatte der Geist des Kindes gewollt? Das Tagebuch oder die Puppe? Jesse war doch ausersehen worden, diese Dinge zu finden und aus dem Haus zu bringen! Und dennoch hatte sie sich dem Geist des Kindes verschlossen! Sie, die tapfer in dunklen Zimmern geblieben war, um mit namenlosen Wesen zu sprechen, während andere panikartig die Flucht ergriffen. Sie, die andere mit der Zusicherung getröstet hatte: diese Wesen, was immer sie auch sein mögen, können uns nichts antun!
    »Gebt mir eine Chance«, flehte sie. Sie müsse in diese Wohnung in New Orleans zurückkehren. Doch David und Aaron hüllten sich in Schweigen. Dann besuchte David sie und nahm sie in den Arm.
    »Jesse, mein Liebling«, sagte er. »Wir lieben dich. Aber besonders auf diesem Gebiet darf man sich nicht über die Anweisungen hinwegsetzen.«
    Nachts träumte sie von Claudia. Einmal wachte sie um vier Uhr morgens auf, ging zum Fenster und sah zum Park hinüber. Ein Kind war da draußen, eine winzige Gestalt unter den Bäumen in einem roten Kapuzenmantel, ein Kind, das zu ihr hochblickte. Sie rannte die Treppen hinunter, nur um sich auf dem leeren, nassen Gras wiederzufinden, während der graue Morgen dämmerte.
    Im Frühjahr schickten sie sie nach Neu Delhi.
    Sie sollte Beweismaterial in Sachen Reinkarnation sammeln, Berichte indischer Kinder festhalten, die sich an frühere Leben erinnern konnten. Zwei ältere Ordensmitglieder holten sie in Delhi ab. Sie nahmen sie in ihr altes britisches Herrenhaus auf. Bald schon liebte sie ihre Arbeit, und nachdem sie ihr erstes Entsetzen überwunden hatte, liebte sie auch Indien.
    Gegen Ende des Jahres war sie wieder glücklich - und nützlich.
    Und ein kleines Erlebnis verbuchte sie als gutes Omen. In einer Seitentasche ihres alten Koffers, den ihr Maharet vor Jahren geschenkt hatte, fand sie Maels silbernes Armband wieder.
    Ja, sie war glücklich.
    Aber sie vergaß nicht, was geschehen war. Es gab Nächte, da ihr Claudias Bild so lebhart vor Augen stand, daß sie aufstand und alle Lichter ihres Zimmers anmachte. Dann wieder glaubte sie in den Straßen blasse Wesen zu sehen, die den Personen aus Gespräch mit dm Vampir auffallend glichen. Sie fühlte sich beobachtet. Da sie Maharet nichts über diese seltsamen Abenteuer erzählen konnte, wurden ihre Briefe noch oberflächlicher. Doch Maharet war so treu wie eh und je. Wenn Familienmitglieder nach Delhi kamen, besuchten sie Jesse. Sie versuchten sie in der Familienherde zu halten. Sie schickten ihr alle Neuigkeiten über Vermählungen, Geburten, Beerdigungen. Sie luden sie ein, die Ferien bei ihnen zu verbringen.

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