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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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andere dasein, die sogar weitaus gefährlicher sind, andere, die dich erkennen und dir übel mitspielen könnten.
    Begreif das doch endlich und komm zurück.«
    Welch schmerzlicher Augenblick! Er streckte ihr beide Hände entgegen, und sie sagte ihm nur Lebewohl. Er sagte ihr noch mehr; daß er ihr »die ganze Geschichte« erzählen würde, daß er die Geheimarchive für sie öffnen würde, daß man sie gerade für diese Aufgabe brauchte.
    Aber ihre Gedanken schweiften ab. Sie konnte ihm leider nicht ihre »ganze Geschichte« erzählen. Sie wurde wieder müde, der Traum meldete sich drohend, als sie den Hörer einhängte. Sie sah die Schalen, den Körper auf dem Altar. Die Mutter der Zwillinge, ja, ihre Mutter. Zeit, schlafen zu gehen. Der Traum verlangte es.
     
    Highway 101. 19.30 Uhr. Noch fünfundzwanzig Minuten bis zum Konzert. Noch ein Gebirgspaß, und das immer wieder neue Wunder breitete sich vor ihren Augen aus - die Skyline von San Francisco. Die Türme der Golden-Gate-Brücke ragten vor ihr auf, der eisige Wind der Bay ließ ihre Hände auf dem Lenkrad erstarren.
    Aller Kummer um David und Aaron und die Große Familie und alle, die sie geliebt hatte, war verschwunden. Vielleicht hatte David doch recht gehabt. Vielleicht hatte sie die entsetzliche Wahrheit nicht akzeptieren wollen und hatte sich einfach ins Reich der Geister, der Träume und des Wahnsinns begeben. Sie näherte sich dem Phantomhaus von Stanfort White, und es war jetzt ganz egal, wer darin lebte. Sie würden sie willkommen heißen. Das hatten sie ihr schon immer und ewig mitzuteilen versucht.

Teil II
GEISTERDÄMMERUNG
    Kaum etwas lohnt unseren Zeitaufwand mehr
    als das Verstehen des Wesens der Materie.
     
    Eine Biene, eine lebende Biene,
    an der Fensterscheibe, sie will hinaus,
    vergeblich, sie kann es nicht verstehen.
     
    Stan Rice
    Der Schweine Fortschritt

DANIEL
    Eine lange, gewölbte Eingangshalle; die Menge schwappte wie Flüssigkeit gegen die farblosen Wände. Teenager in Halloweenkostümen strömten durch die Eingangstüren; und an den Verkaufsständen bildeten sich Schlangen von Leuten, die noch blonde Perücken, schwarze Satinumhänge - »Fangzähne, 50 Cents!« -, Programmhefte kaufen wollten. Weiß geschminkte Gesichter, wohin er auch blickte. Bemalte Augen und Lippen. Und hier und da Gruppen von Männern und Frauen, die ganz nach der Mode des vorigen Jahrhunderts gekleidet und frisiert waren.
    Eine in Samt gehüllte Frau warf büschelweise verwelkte Rosenblüten in die Luft. Aufgemaltes Blut rann über ihre aschfarbenen Wangen. Gelächter.
    Er konnte die Schminke und das Bier riechen, und die Herzen, die da überall in seiner Nähe schlugen, hörten sich in seinen Ohren wie leiser, köstlicher Donner an.
    Er mußte wohl laut aufgelacht haben, da ihm Armand plötzlich den knöchrigen Finger in den Arm bohrte. »Daniel!«
    »Tut mir leid, Boß«, flüsterte er. Niemand beachtete sie; jeder Sterbliche weit und breit war verkleidet; und was waren Armand und Daniel denn schon weiter als zwei unscheinbare junge Männer, die ihre Haare unter Kapuzen und ihre Augen hinter Sonnenbrillen verbargen? »Also, was soll’s? Darf ich nicht mal laut auflachen, vor allem jetzt, wo alles so lustig ist?«
    Armand war beunruhigt; spitzte wieder seine Ohren. Daniel sah nicht ein, warum er Angst haben sollte.
    Armand hatte vor kurzem erst zu ihm gesagt: »Man muß dir noch ganz schön viel beibringen.« Das war, als sie auf die Jagd gegangen waren, verrührt, getötet hatten, das Blut durch sein gieriges Herz gerauscht war. Aber gerade er hatte nach dem ersten Mond jegliche Hemmungen abgestreift, war nach den ersten schuldbewußten Schlucken innerhalb weniger Sekunden in wahre Ekstase geraten.
    Und erst vor einer halben Stunde hatten sie sich wieder zwei leckere kleine Herumstreicher aus einer verlassenen Schule beim Park genehmigt, wo die zerlumpten Kids in Schlafsäcken übernachteten und sich ihr gestohlenes Essen zubereiteten. Armand war ganz ruhig vor dem Gebäude gestanden, hatte es in Augenschein genommen, auf jene gewartet, »die sterben möchten«; so hatte er es am liebsten; man rief sie stumm, und sie kamen heraus. Und ihr Tod war nicht ohne gelassene Heiterkeit.
    Schon vor Urzeiten, sagte Armand, habe er versucht, Louis diese List beizubringen, aber Louis habe derlei für geschmacklos gehalten.
    Und durch den Seiteneingang kamen tatsächlich zwei in Jeans gekleidete kleine Engel zu ihnen heraus, als seien sie von der Musik des

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