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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wandte mich ab und wollte hinausgehen, als sie mich am Ärmel festhielt.
    »Hören Sie«, sagte sie, und Zorn und Unbehagen ließen sie leise zittern. »Sie können doch nicht einfach herkommen und erwarten, daß man Ihnen etwas zu essen schenkt!« Das Blut pulsierte in ihren blassen Wangen. Ich konnte es nicht riechen. Aber ich roch einen moschusartigen Duft, den sie verströmte, teils menschlicher, teils kommerziell künstlicher Natur. Und plötzlich sah ich zwei kleine Brustwarzen, die sich durch den Stoff ihres Kleides drückten. Erstaunlich. Wieder versuchte ich, ihre Gedanken zu lesen. Ich sagte mir, ich müsse es doch können, es sei doch eine angeborene Fähigkeit. Aber es half nichts.
    »Ich habe gesagt, ich arbeite für das Essen«, antwortete ich und bemühte mich, nicht auf ihre Brüste zu starren. »Ich tue alles, was Sie wollen. Hören Sie, es tut mir leid. Ich will nicht, daß Sie in der Hölle schmoren. Es ist scheußlich, so etwas zu sagen. Es ist nur, ich habe gerade eine Pechsträhne. Mir sind schlimme Dinge passiert. Schauen Sie, das da ist mein Hund. Wie soll ich ihm zu fressen geben?«
    »Der Hund?« Sie schaute durch die Glastür hinaus zu Mojo, der majestätisch im Schnee saß. »Das soll wohl ein Witz sein?« Was für eine schrille Stimme sie hatte. Absolut ohne Charakter. So viele Geräusche, die auf mich einstürmten, hatten genau diese Qualität. Metallisch und dünn.
    »Nein, er ist wirklich mein Hund«, sagte ich matt. »Ich liebe ihn sehr.«
    Sie lachte. »Dieser Hund frißt hier jeden Abend hinten an der Küchentür.«
    »Ah. Na, wunderbar, dann wird wenigstens einer von uns essen.
    Ich bin froh, das zu hören, Mademoiselle. Vielleicht sollte ich auch nach hinten zur Küchentür gehen. Vielleicht läßt der Hund mir etwas übrig.«
    Sie lachte auf; es klang fröstelnd und unecht. Sie musterte mich ganz offensichtlich und betrachtete mit Interesse mein Gesicht und meine Kleidung. Wie mochte ich auf sie wirken? Ich wußte es nicht. Der schwarze Mantel war kein billiges Kleidungsstück, aber modisch war er nicht. Und das braune Haar auf diesem Kopf war voller Schnee.
    Sie selbst war von einer Art hagerer, fein nuancierter Sinnlichkeit. Sehr schmal die Nase. Sehr fein geformt die Augen. Sehr schön die Knochen.
    »Also gut«, sagte sie. »Setzen Sie sich da an die Theke. Ich lasse Ihnen etwas bringen. Was möchten Sie?«
    »Irgend etwas. Egal. Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit.«
    »Schon gut, setzen Sie sich.« Sie machte die Tür auf und rief zu dem Hund hinaus: »Du lauf nach hinten!« Sie wedelte knapp mit der Hand.
    Mojo rührte sich nicht; er blieb sitzen, ein geduldiger Berg aus Fell. Ich trat hinaus in den eisigen Wind und befahl ihm, zur Küchentür zu gehen, und dabei deutete ich auf den Durchgang neben dem Haus. Er schaute mich eine ganze Weile an; dann erhob er sich, ging langsam um die Ecke und war verschwunden.
    Ich ging wieder hinein und war dankbar, die Kälte ein zweitesmal hinter mir lassen zu können, wenngleich ich merkte, daß meine Schuhe naß vom geschmolzenen Schnee waren. Ich betrat das dunkle Innere des Restaurants, stolperte über einen hölzernen Hocker, den ich nicht gesehen hatte, und wäre fast gestürzt. Ich setzte mich. Auf der hölzernen Theke war bereits ein Gedeck aufgelegt: eine blaue Platzdecke und Messerund Gabel aus schwerem Stahl. Der Geruch von Käse war erstickend. Noch andere Gerüche erfüllten die Luft: gekochte Zwiebeln, Knoblauch, verbranntes Bratfett. Alles ekelhaft.
    Es war höchst unbequem, auf diesem Hocker zu sitzen. Die runde, harte Kante der Sitzfläche schnitt mir in die Beine, und wieder störte es mich, daß ich im Dunkeln nichts sehen konnte. Das Restaurant wirkte sehr tief; es schien aus mehreren Räumen, die ineinander übergingen, zu bestehen. Ich konnte nicht bis ans Ende sehen. Aber ich konnte schreckliche Geräusche hören, so als würde mit großen Töpfen auf Metall geschlagen, und sie taten mir ein bißchen in den Ohren wehbesser gesagt, sie waren mir zuwider.
    Die junge Frau kam zurück und stellte mir mit reizendem Lächeln ein großes Glas Rotwein hin. Der Wein roch sauer und potentiell übelkeiterregend.
    Ich dankte ihr. Dann hob ich das Glas, nahm einen Schluck Wein in den Mund und behielt ihn dort eine Weile, ehe ich ihn hinunterschluckte. Sofort fing ich an zu würgen. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war - ob ich falsch geschluckt hatte, oder ob der Wein aus irgendeinem Grund meine Kehle reizte oder was.

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