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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Dach zu betreten. Ich hatte jetzt nicht einmal einen Schlüssel für die Tür zum Treppenhaus, ja, der Schlüssel lag an meinem nächtlichen Ruheplatz unter dem Friedhof Lafayette, in einer geheimen Kammer, zu der ich mit der Kraft eines bloßen Sterblichen niemals vordringen würde, denn sie war an mehreren Stellen mit Türen gesichert, die nicht einmal ein ganzer Trupp sterblicher Männer hätte öffnen können.
    Und was wäre, wenn der Körperdieb vor mir in New Orleans gewesen war? Wenn er meine Dachwohnung ausgeraubt und alles Geld gestohlen hatte, das ich dort versteckt hatte? Unwahrscheinlich. Nein, aber wenn er die Unterlagen meines armen unglücklichen Agenten in New York gestohlen hatte … Ah, da stellte ich mir lieber vor, daß das Flugzeug explodierte. Und dann wäre da noch Louis. Wenn er nun nicht da war? Wenn er… Und so ging es fast zwei Stunden lang.
    Endlich begannen wir mit dem ratternden, brüllenden, schwerfälligen, furchterregenden Sinkflug in einem Regenunwetter von biblischen Ausmaßen. Ich holte Mojo ab, warf seine Kiste weg und ließ ihn kühn auf dem Rücksitz eines Taxis Platz nehmen. Und dann fuhren wir in das unvermindert tobende Unwetter hinaus; der sterbliche Fahrer ging jedes vorstellbare Risiko ein, das sich ihm bot, und Mojo und ich wurden wieder und wieder gegeneinandergeschleudert.
    Es war kurz vor Mitternacht, als wir endlich die schmalen, baumgesäumten Straßen der Vororte erreichten; es regnete so heftig und gleichmäßig, daß die Häuser hinter ihren Eisenzäunen kaum zu sehen waren. Als ich das trostlose, verlassene Haus auf Louis’ Grundstück sah, dicht umstanden von dunklen Bäumen, bezahlte ich den Fahrer, griff nach meinem Koffer und führte Mojo hinaus in den Sturzregen.
    Es war kalt, ja, sehr kalt, aber es war nicht so schlimm wie die tiefe Kälte der eisigen Luft in Georgetown. Ja, noch in diesem Eisregen schien das dunkle, schwere Laub der riesigen Magnolien und der immergrünen Eichen die Welt heiterer und erträglicher zu machen.
    Andererseits hatten meine sterblichen Augen noch nie eine so trostlose Behausung gesehen wie dieses große, massige, verlassene Haus, das hier vor Louis’ verborgener Hütte stand.
    Während ich meine Augen vor dem Regen beschirmte und zu den schwarzen, leeren Fenstern hinaufschaute, erwachte für einen Augenblick eine schreckliche, irrationale Angst davor, daß vielleicht überhaupt niemand hier wohnte, daß ich verrückt sei und dazu verdammt, für alle Zeit in diesem schwachen Menschenkörper zu bleiben.
    Mojo sprang genau wie ich über den kleinen Eisenzaun hinweg. Zusammen pflügten wir uns durch das hohe Gras, vorbei an der eingefallenen Veranda und nach hinten in den nassen, überwucherten Garten. Die Nacht war erfüllt vom Rauschen des Regens, das donnernd in meinen sterblichen Ohren klang, und fast hätte ich geweint, als ich das kleine Haus sah, einen klobigen, glänzenden Buckel aus nassen Schlingpflanzen, der sich vor mir erhob.
    In lautem Flüsterton rief ich Louis’ Namen. Dann wartete ich. Von drinnen kam kein Laut. Ja, das Haus war so heruntergekommen, daß es jeden Augenblick einzustürzen drohte. Langsam näherte ich mich der Tür. »Louis«, rief ich noch einmal. »Louis, ich bin es, Lestat!«
    Vorsichtig trat ich durch die Tür und zwischen die Haufen und Stapel von staubigen Gegenständen. Unmöglich, hier etwas zu sehen! Trotzdem erkannte ich den Schreibtisch, weißes Papier und die Kerze, die dort stand, und daneben ein kleines Streichholzheft.
    Mit zitternden, nassen Fingern bemühte ich mich, ein Streichholz anzuzünden, und erst nach mehreren Versuchen hatte ich Erfolg. Endlich hielt ich es an den Kerzendocht, und ein dünnes, helles Licht erfüllte den ganzen Raum und beleuchtete den roten Samtsessel, der mir gehörte, und die anderen verschlissenen, vernachlässigten Gegenstände.
    Machtvolle Erleichterung durchströmte mich. Ich war hier! Ich war fast in Sicherheit! Und ich war nicht verrückt. Das hier war meine Welt, diese furchtbare, vollgestopfte, unerträgliche kleine Bude! Louis würde auch kommen. Louis würde schon bald kommen müssen; Louis war gleich hier. Vor lauter Erschöpfung wäre ich fast in den Sessel gefallen. Ich legte Mojo die Hand auf den Kopf, streichelte ihn und kraulte ihn an den Ohren.
    »Wir haben’s geschafft, mein Junge«, sagte ich. »Und bald werden wir hinter diesem Teufel herjagen. Wir werden eine Möglichkeit finden, uns mit ihm zu befassen.« Ich merkte, daß mich

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