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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wirklich, wir können ihn stoppen?«
    »Natürlich glaube ich das!« Er winkte mir, ihm zu folgen. »Aber wie denn?« Wir gingen zusammen zur Tür. »Wir müssen uns das Verhalten dieser Kreatur ansehen. Wir müssen ihre Schwächen und ihre Stärken einschätzen lernen. Und vergessen Sie nicht: Wir sind zwei gegen einen. Und wir haben einen machtvollen Vorteil.«
    »Welchen denn?«
    »Lestat, jetzt säubern Sie Ihr sterbliches Gehirn von all diesen wüsten erotischen Bildern und kommen Sie. Ich kann auf leeren Magen nicht denken, und Sie können offensichtlich überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
    Mojo tappte zum Gittertor, um uns zu folgen, aber ich befahl ihm dazubleiben. Ich küßte ihn zärtlich auf die Seite seiner langen dunklen Nase, und er legte sich auf den nassen Betonboden und schaute mir mit feierlich enttäuschtem Blick nach, als wir die Treppe hinuntergingen.
     
    Es war nur ein paar Straßen weit bis zum Hotel, und es war nicht unerträglich, unter dem blauen Himmel daherzuspazieren, obgleich ein schneidender Wind wehte. Aber ich fror zu sehr, um mit meiner Erzählung zu beginnen, und der Anblick der sonnenüberstrahlten Stadt riß mich auch immer wieder aus meinen Gedanken.
    Wieder sah ich beeindruckt, mit welch sorgloser Haltung die Menschen bei Tag umherstreiften. Die ganze Welt schien gesegnet in diesem Licht, ganz ungeachtet der Temperatur. Und Trauer wuchs in mir, als ich das sah, denn ich wollte wirklich nicht in dieser sonnendurchfluteten Welt bleiben, so schön sie auch war.
    Nein, ich will meinen übernatürlichen Blick wiederhaben, dachte ich. Ich will die dunkle Schönheit der Welt bei Nacht wiederhaben. Ich will meine unnatürliche Kraft und Ausdauer wiederhaben, und dafür werde ich dieses Spektakel mit Vergnügen für alle Zeiten opfern. Der Vampir Lestat - c’est moi .
    An der Hotelrezeption hinterließ David die Nachricht, daß wir im Coffeeshop zu finden seien; wenn ein Fax käme, solle man es uns unverzüglich bringen.
    Wir machten es uns an einem stillen, weißgedeckten Tisch in einer Ecke des riesigen, altmodischen Raumes mit prächtiger Stuckdecke und weißen Seidendraperien bequem und nahmen ein gewaltiges Frühstück nach Art von New Orleans in Angriff: Eier, Bisquits, gebratenes Fleisch, Sauce und dicke gebutterte Maisgrütze.
    Ich mußte zugeben, daß sich die Ernährungslage mit der Reise in den Süden gebessert hatte. Außerdem konnte ich inzwischen auch besser essen; ich verschluckte mich nicht mehr so oft und biß mir auch seltener auf die Zunge. Der dicke, sirupartige Kaffee meiner Heimatstadt war mehr als vollkommen. Und das Dessert aus geschmorten Bananen mit Zucker genügte, um jeden fühlenden Menschen auf die Knie fallen zu lassen.
    Aber trotz dieser hinreißenden Genüsse und meiner verzweifelten Hoffnung, daß bald ein Bericht aus London eintreffen möchte, lag mein Hauptinteresse doch darauf, David meine ganze leidvolle Geschichte zu erzählen. Wieder und wieder bedrängte er mich, ins Detail zu gehen, und unterbrach mich mit seinen Fragen, so daß der Bericht sehr viel gründlicher ausfiel als der, den ich Louis gegeben hatte, mir aber auch größere Qualen bereitete.
    Es war unerträglich, mein naives Gespräch mit James in dem Stadthaus noch einmal zu durchleben und einzugestehen, daß ich viel zu unbekümmert gewesen war, als daß ich Verdacht gegen ihn geschöpft hätte, und daß ich viel zu sehr davon überzeugt gewesen war, daß ein bloßer Sterblicher mich niemals übers Ohr hauen könnte.
    Dann kam die schändliche Vergewaltigung, der schmerzliche Bericht über meine Zeit mit Gretchen, die schrecklichen Alpträume von Claudia und der Abschied von Gretchen vor meiner Heimkehr zu Louis, der alles, was ich ihm vorgetragen hatte, mißverstanden und auf seiner eigenen Deutung meiner Worte beharrt hatte, und der sich geweigert hatte, mir zu geben, was ich wollte.
    Ein beträchtlicher Teil des Schmerzes bestand darin, daß mein Zorn mich verlassen hatte und ich nur noch die alte, zermalmende Trauer verspürte. Wieder sah ich Louis vor meinem geistigen Auge, aber er war nicht mehr der zärtliche, umarmungswürdige Liebhaber, sondern vielmehr ein gefühlloser Engel, der mich vom Hofe der Finsternis verbannt hatte.
    »Ich verstehe, weshalb er es abgelehnt hat«, sagte ich dumpf; ich konnte kaum darüber sprechen. »Vielleicht hätte ich es vorher wissen sollen. Und ich kann wirklich nicht glauben, daß er sich in alle Ewigkeit gegen mich stellen wird.

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