Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
ihn wirklich zu haben - in der simplen menschlichen Verschlingung unserer Glieder, in allen möglichen Kombinationen von intimen Gesten und entzückenden kleinen Umarmungen, die ihm gefallen mochten. Und die mir gefallen mochten.
    Der Gedanke lahmte mich und ließ ein sanftes Frösteln über meine menschliche Haut ziehen. Ich fühlte mich mit ihm verbunden, wie ich mich mit der traurigen, unglücklichen jungen Frau verbunden gefühlt hatte, die ich vergewaltigt hatte, mit den umherspazierenden Touristen in der verschneiten Hauptstadt, mit meinen Brüdern und Schwestern - ja, und wie mit meinem geliebten Gretchen.
    Ja, so stark war dieses Bewußtsein - ein Mensch zu sein und mit einem anderen Menschen zusammenzusein -, daß ich es in all seiner Schönheit plötzlich fürchtete. Und ich sah, daß diese Furcht ein Teil der Schönheit war.
    Ah ja. Ich war jetzt ebenso sterblich wie er. Ich krümmte und streckte die Finger und reckte langsam meinen Rücken, und das Frösteln wurde zu einer tiefen, erotischen Empfindung.
    Und er löste sich unvermittelt von mir, erschrocken und irgendwie entschlossen; er nahm das Jackett vom Stuhl und half mir, es anzuziehen.
    »Sie müssen mir alles erzählen, was Ihnen zugestoßen ist«, sagte er. »Und innerhalb der nächsten Stunden bekommen wir vielleicht Nachricht aus London das heißt, wenn der Bastard wieder zugeschlagen hat.«
    Ich legte ihm meine schwache sterbliche Hand auf die Schulter, zog ihn heran und küßte ihn sanft auf die Wange. Wieder wich er zurück.
    »Hören Sie auf mit diesem Unfug«, sagte er wie zu einem ungezogenen Kind. »Ich will jetzt alles wissen. Haben Sie schon gefrühstückt? Sie brauchen ein Taschentuch. Hier.«
    »Wie werden wir diese Nachricht aus London bekommen?«
    »Per Fax aus dem Mutterhaus ins Hotel. Und jetzt kommen Sie, lassen Sie uns zusammen etwas essen gehen. Wir haben einen arbeitsreichen Tag vor uns, wenn wir uns über alles klarwerden wollen.«
    »Wenn er nicht schon tot ist«, sagte ich und seufzte. »Vor zwei Tagen in Santo Domingo…« Wieder erfüllte mich niederdrückende, schwarze Verzweiflung. Der köstliche und frustrierende erotische Impuls drohte zu ersticken.
    David nahm einen langen Wollschal aus dem Koffer und legte ihn mir um den Hals.
    »Können Sie nicht noch einmal in London anrufen?« fragte ich.
    »Es ist noch ein bißchen früh, aber ich will es versuchen.«
    Er fand das Telefon neben der Couch, und fünf Minuten lang sprach er sehr schnell mit jemandem auf der anderen Seite des Atlantiks. Noch keine Neuigkeiten.
    Die Polizeibehörden in New York, Florida und Santo Domingo standen anscheinend nicht in Verbindung miteinander, da man zwischen den einzelnen Verbrechen noch keinen Zusammenhang gesehen hatte.
    Schließlich legte er auf. »Sie werden die Informationen ins Hotel faxen, sobald sie welche haben. Lassen Sie uns hinfahren, ja? Ich sterbe fast vor Hunger. Ich habe ja die ganze Nacht hier gewartet. Ach ja, und der Hund. Was werden Sie mit diesem prächtigen Hund anfangen?«
    »Der hat schon gefrühstückt. Er wird sich hier im Dachgarten wohl fühlen. Sie brennen drauf, diese Räume hier zu verlassen, nicht wahr? Wieso gehen wir nicht einfach zusammen ins Bett? Ich verstehe das nicht.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    Ich zuckte die Achseln. »Natürlich.« Mein Ernst! Allmählich war ich besessen von dieser simplen kleinen Möglichkeit. Ein bißchen Liebe, bevor alles andere getan wurde. Das war doch eine absolut wunderbare Idee!
    Wieder verfiel er in sein aufreizendes, tranceartiges Schweigen und starrte mich an.
    »Es ist Ihnen doch klar«, sagte er schließlich, »daß dies ein absolut prachtvoller Körper ist, nicht wahr? Ich meine, Sie sind doch nicht völlig unempfindlich für die Tatsache, daß Sie in einem… überaus eindrucksvollen Stück Jungmännerfleisch deponiert worden sind.«
    »Ich habe mir den Körper vor dem Tausch gut angesehen, wie Sie sich erinnern. Wieso wollen Sie nicht…?«
    »Sie sind mit einer Frau zusammengewesen, nicht wahr?«
    »Ich wünschte, Sie würden aufhören, meine Gedanken zu lesen. Das ist unhöflich. Außerdem, was interessiert Sie daran?«
    »Eine Frau, die Sie geliebt haben.«
    »Ich habe immer Männer und Frauen geliebt.«
    »Das ist eine etwas andere Verwendung des Wortes ›Liebe‹. Hören Sie, es geht jetzt einfach nicht. Also benehmen Sie sich. Ich muß alles über diese Kreatur James erfahren. Wir werden Zeit brauchen, um einen Plan zu machen.«
    »Einen Plan. Sie glauben

Weitere Kostenlose Bücher