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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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anfängliche Beschreibungen seiner Person, seiner Dummheit, seines Selbstzerstörungsdranges kamen mir in den Sinn. Und seine Tolpatschigkeit - wie konnte ich die je vergessen?
    »Nein«, sagte ich schließlich. »Ich glaube nicht, daß er solche Entfernungen überwinden kann. Sie ahnen nicht, wie furchterregend diese Fähigkeit des Fliegens sein kann. Das ist zwanzigmal furchterregender als das Reisen außerhalb des Körpers. Uns allen ist es ein Graus. Selbst das Rauschen des Windes ruft Hilflosigkeit hervor, eine Art gefährlicher Hingabe sozusagen.«
    Ich schwieg. Wir kennen das Fliegen in unseren Träumen, vielleicht weil wir es in irgendeinem Himmelreich jenseits dieser Erde kannten, bevor wir geboren wurden. Aber als irdische Geschöpfe können wir es uns nicht vorstellen, und nur ich konnte wissen, wie es mir Herz und Seele beschädigt und zerrissen hatte.
    »Weiter, Lestat. Ich höre Ihnen zu. Ich verstehe Sie.«
    Ich seufzte leise. »Ich habe diese Fähigkeit nur erlernt, weil ich mich in den Klauen eines Furchtlosen befand«, sagte ich, »dem das alles nichts ausmachte. Es gibt etliche unter uns, die diese Möglichkeit niemals nutzen. Nein, ich kann nicht glauben, daß er es beherrscht. Er reist auf irgendeine andere Weise und erhebt sich selbst erst in die Luft, wenn er seinem Opfer nah ist.«
    »Ja, das würde sich mit den Indizien decken; wenn wir nur wüßten -«
    Er wurde plötzlich abgelenkt. Ein älterer Hotelangestellter war eben in der Tür erschienen. Er kam aufreizend langsam auf uns zu, ein freundlicher, netter Herr mit einem großen Umschlag in der Hand.
    Sogleich zog David einen Geldschein aus der Tasche und hielt ihn bereit.
    »Fax, Sir. Soeben gekommen.«
    »Ah, ich danke Ihnen sehr.«
    Er riß den Umschlag auf.
    »Ah, da haben wir’s. Agenturmeldung aus Miami. Eine Villa auf einer Anhöhe auf der Insel Curacao. Mutmaßliche Tatzeit gestern am frühen Abend, aber erst gegen vier Uhr früh entdeckt. Fünf Personen tot aufgefunden.«
    »Curacao! Wo zum Teufel ist denn das?«
    »Das ist noch verblüffender. Curacao ist eine holländische Insel -sehr weit im Süden der Karibik. Also, das ergibt nun wirklich keinen Sinn mehr.«
    Wir lasen den Bericht zusammen. Wieder war anscheinend Raub das Motiv. Der Dieb war durch ein Oberlicht hereingebrochen und hatte die Einrichtung zweier Räume verwüstet. Die ganze Familie war ermordet worden. Ja, angesichts der blanken Bösartigkeit dieses Verbrechens war die ganze Insel von Entsetzen gepackt. Zwei der Leichen waren völlig blutleer gewesen, eine davon ein kleines Kind.
    »Sicher reist der Teufel doch nicht einfach nach Süden!«
    »Selbst in der Karibik gäbe es viel interessantere Orte«, meinte David. »Er hat ja die ganze mittelamerikanische Küste übersehen. Kommen Sie, ich will eine Landkarte holen. Wir sehen uns seine Route an. Ich habe im Foyer ein kleines Reisebüro entdeckt. Da wird es sicher Karten geben. Dann nehmen wir alles mit aufs Zimmer.«
    Der Mann im Reisebüro war überaus entgegenkommend, ein älterer, glatzköpfiger Bursche mit sanfter, kultivierter Stimme, der in dem Durcheinander auf seinem Schreibtisch mehrere Karten ausgrub. Curacao? Ja, er habe auch eine oder zwei Broschüren über diese Insel. Nicht besonders interessant, wenn man sie mit den anderen Karibikinseln vergliche.
    »Warum fahren die Leute dorthin?« fragte ich.
    »Nun, die meisten fahren nicht hin«, gestand er und rieb sich den kahlen Schädel. »Abgesehen von den Kreuzfahrtschiffen natürlich. Die steuern es erst seit ein paar Jahren wieder an. Ja, hier.« Er gab mir ein Heftchen über ein kleines Schiff namens Crown of the Seas, das auf dem Bild sehr hübsch aussah; es schlängelte sich überall zwischen den Inseln hindurch, und die letzte Station vor der Heimreise war Curacao.
    »Kreuzfahrtschiffe!« hauchte ich und starrte das Bild an. Mein Blick wanderte zu den großen Plakaten mit Bildern von Schiffen, die an den Bürowänden hingen. »Sein Haus in Georgetown war voll mit Bildern von Schiffen«, sagte ich. »David, das ist es! Er ist auf einem Schiff! Wissen Sie nicht mehr, was Sie mir erzählt haben? Sein Vater hat bei irgendeiner Reederei gearbeitet. Er selbst hat davon gesprochen, daß er gern auf einem großen Schiff nach Amerika reisen wollte.«
    »Mein Gott«, sagte David, »Sie könnten recht haben. New York, Bal Harbour…« Er schaute den Reisebüroangestellten an. »Legen irgendwelche Kreuzfahrtschiffe in Bal Harbour an?«
    »In Port

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