Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
wollte«, sagte David. »Sie haben unsere Tickets?«
Der Mann deutete auf eine schwarze Ledermappe auf der Kommode aus Korbgeflecht. David überprüfte den Inhalt und nickte beifällig.
»Hat es bis jetzt Todesfälle auf der QE2 gegeben?«
»Ah, das ist ein interessanter Punkt. Sie hatten sechs, seit sie New York verlassen haben, und das ist ein bißchen mehr als gewöhnlich.
Alles ziemlich alte Frauen, und alle anscheinend an Herzversagen gestorben. So was interessiert Sie?«
»Unbedingt«, sagte David.
Der »kleine Trunk«, dachte ich.
»Jetzt sollten Sie sich noch diese Waffen ansehen«, sagte Jake, »damit Sie wissen, wie man damit umgeht.« Er griff nach einer verschlissenen kleinen Reisetasche auf dem Boden, einem vergammelten Segeltuchbeutel von genau der Sorte, in der man teure Waffen verstecken würde, nahm ich an. Und da waren sie, die teuren Waffen: ein großer Smith & Wesson-Revolver und eine kleine schwarze Automatik, nicht größer als meine Handfläche.
»Ja, der hier ist mir sehr vertraut«, sagte David; er nahm den großen, silbrigen Revolver und zielte damit auf den Boden. »Kein Problem.« Er ließ die Trommel herausrasten und wieder einschnappen. »Hoffen wir nur, daß ich ihn nicht benutzen muß. Er wird einen Höllenlärm machen.«
Er reichte mir die Waffe. »Lestat, Sie müssen ein Gefühl dafür bekommen«, sagte er. »Natürlich haben wir keine Zeit zum Üben. Ich habe um einen ganz leichten Abzug gebeten.«
»Und den haben Sie auch.« Jake betrachtete mich eisig. »Also sehen Sie sich bitte vor.«
»Ein barbarisches kleines Ding«, sagte ich. Es war sehr schwer. Ein Eisenklumpen der Zerstörung. Ich drehte die Trommel. Sechs Patronen. Es roch merkwürdig. »Es sind beides Achtunddreißiger«, sagte der Mann mit einem leicht verächtlichen Unterton. »Das sind Mannstopper.« Er zeigte mir eine kleine Pappschachtel. »Sie haben reichlich Munition zur Verfügung, was immer Sie auf dem Schiff vorhaben.«
»Keine Sorge, Jake«, sagte David in festem Ton, »es wird wahrscheinlich alles reibungslos verlaufen. Und ich danke Ihnen für Ihre gewohnte Effizienz. Und jetzt machen Sie sich einen angenehmen Abend auf der Insel. Wir sehen uns morgen vormittag im Café Centaur.«
Der Mann warf mir noch einen durchdringenden, mißtrauischen Blick zu, sammelte dann die Pistolen und die Munitionsschachtel ein und verstaute alles wieder in der Leinentasche; er reichte erst mir, dann David die Hand und ging. Ich wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte.
»Ich glaube, er mag mich nicht«, sagte ich. »Er nimmt mir übel, daß ich Sie in irgendein schmutziges Verbrechen verwickele.«
David lachte kurz. »Ich war schon in sehr viel kompromittierenderen Situationen«, sagte er. »Und wenn ich mir den Kopf darüber zerbrechen würde, was unsere Ermittler von uns denken, dann wäre ich schon lange in den Ruhestand gegangen. Aber was sagen uns diese Informationen denn nun?«
»Nun, er ernährt sich von den alten Frauen. Bestiehlt sie wahrscheinlich auch. Und was er stiehlt, schickt er in Paketen nach Hause, die so klein sind, daß sie keinen Verdacht erregen. Was er mit größeren Beutestücken tut, werden wir wohl nie erfahren. Wahrscheinlich wirft er sie ins Meer. Ich vermute, daß er mehr als eine Postfachnummer hat. Aber das braucht uns nicht zu kümmern.«
»Richtig. Jetzt schließen Sie die Tür ab. Es ist Zeit für ein bißchen konzentrierte Hexerei. Nachher essen wir dann hübsch zu Abend. Ich muß Ihnen beibringen, Ihre Gedanken zu verschleiern. Jake konnte sie allzu mühelos lesen. Und ich auch. Der Körperdieb wird Ihre Anwesenheit spüren, wenn er noch zweihundert Meilen weit draußen auf See ist.«
»Nun, als Lestat gelang es mir durch einen einfachen Willensakt«, sagte ich. »Aber jetzt habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie ich es anstellen soll.«
»Genauso. Wir werden es üben. Bis ich kein einziges Bild, kein willkürliches Wort mehr von Ihnen aufschnappen kann. Und dann kommen wir zum Verlassen des Körpers.« Er sah auf die Uhr, und das erinnerte mich plötzlich an James in der kleinen Küche. »Schieben Sie den Riegel vor. Ich möchte nicht, daß nachher ein Zimmermädchen hereingestolpert kommt.«
Ich gehorchte. Dann setzte ich mich David gegenüber auf das Bett. Er hatte eine sehr entspannte, aber befehlsbereite Haltung eingenommen und krempelte sich jetzt die steifgestärkten Manschetten seines Hemdes hoch, so daß die dunkle Behaarung seiner Arme zum
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