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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nichts anderes tun, als uns verborgen zu halten.
    Mit dem Einbruch der Dunkelheit veränderte sich auch das Schiff.
    In den kleinen, glitzernden Geschäften auf dem Zwischendeck herrschte lebhafter, lärmender Betrieb, als wir vorüberkamen. In der Theatre Lounge darunter nahmen Männer und Frauen in schimmernder Abendgarderobe ihre Plätze ein.
    Im Casino waren die Spielautomaten mit blitzenden Lichtern zum Leben erwacht, und um den Roulettetisch drängten sich Leute. Ältere Paare tanzten zur sanften, langsamen Musik einer Band im weitläufigen, halbdunklen Queen’s Room.
    Als wir im dunklen Club Lido eine brauchbare kleine Ecke gefunden und uns zur Gesellschaft zwei Drinks bestellt hatten, befahl mir David, an Ort und Stelle zu warten, während er sich allein zum Signaldeck hinaufwagte.
    »Wieso? Was soll das heißen, hierbleiben?« Ich war sofort wütend.
    »Er wird dich auf Anhieb erkennen«, sagte er wegwerfend, als redete er mit einem Kind, und setzte sich dann eine dunkle Brille auf. »Mich wird er wahrscheinlich gar nicht bemerken.«
    »All right, Boss«, sagte ich verärgert; ich war empört, daß ich hier stumm abwarten sollte, während er sich hinauswagte!
    Ich ließ mich im Sessel zurücksinken, nahm noch einen tiefen Schluck von meinem kalten, antiseptischen Gin Tonic und bemühte mich, durch die ärgerliche Dunkelheit zu spähen, während sich mehrere junge Paare über die blitzenden Lichter der elektrisch beleuchteten Tanzfläche bewegten. Die Musik war unerträglich laut, aber das unterschwellige Vibrieren des Riesenschiffs war ein köstliches Gefühl. Wir fuhren bereits mit Volldampf. Wenn ich ganz links durch eines der vielen großen Glasfenster aus dieser kleinen Höhle der künstlichen Schatten hinausschaute, sah ich, wie der wolkige Himmel, immer noch leuchtend im Licht des frühen Abends, vorüberflog.
    Ein mächtiges Schiff, dachte ich. Das mußte man ihm lassen. Bei all den kleinen Glitzerlämpchen und häßlichen Teppichböden, den bedrückend niederen Decken und den endlos langweiligen öffentlichen Aufenthaltsräumen - war es doch in der Tat ein mächtiges Schiff.
    Ich dachte darüber nach und versuchte, vor Ungeduld nicht den Verstand zu verlieren, ja, ich bemühte mich überhaupt, das Ganze mit James’ Augen zu sehen, als mich das Erscheinen eines außerordentlich gut aussehenden, blonden jungen Mannes im Korridor gegenüber aus meinen Gedanken riß. Er trug Abendkleidung und dazu eine unpassende, violett getönte Brille. Ich sog sein Erscheinungsbild in gewohnter Weise in mich auf, als ich plötzlich mit lähmendem Entsetzen erkannte, daß ich mich selbst anstarrte!
    Es war James in schwarzem Smoking und gestärkter Hemdbrust; die Augen hinter der modischen Brille überflogen die Bar, während er langsam hereinkam.
    Die Anspannung in meiner Brust wurde unerträglich. Jeder Muskel meines Körpers begann vor banger Unruhe zu zucken. Ganz langsam hob ich die Hand, um die Stirn aufzustützen und den Kopf ein wenig zu senken,, dann schaute ich wieder nach links.
    Aber wie konnte es sein, daß er mich mit seinen scharfen übernatürlichen Augen nicht sah! Die Dunkelheit existierte nicht für ihn. Ja, er konnte doch sicher den Geruch der Angst wahrnehmen, den ich verströmte, während der Schweiß unter meinem Hemd an mir herunterströmte.
    Aber der Dämon sah mich nicht. Er hatte sich an der Bar niedergelassen und mir den Rücken zugekehrt, und sein Kopf war nach rechts gewandt. Ich sah nur die Konturen seiner Wange und seines Kinns. Er verfiel in einen Zustand offensichtlicher Entspanntheit, und mir war klar, daß er posierte, wie er so dasaß, den linken Ellbogen auf das polierte Holz gestützt, das rechte Knie ganz locker über das linke geschlagen, den Absatz über die Messingsprosse seines Barhockers gehakt.
    Er nickte ganz leicht im Takt der langsamen, trunkenen Musik. Ein wunderbarer Stolz ging von ihm aus, eine erhabene Zufriedenheit mit dem, was er war und wo er war.
    Ich atmete langsam und tief ein. Weit hinten am anderen Ende des geräumigen Saals sah ich, wie die unverwechselbare Gestalt Davids für einen Augenblick in der offenen Tür stehenblieb. Dann ging er weiter. Gott sei Dank, er hatte das Monster bemerkt, das jetzt für alle Welt ebenso normal aussehen mußte wie für mich - von seiner übermäßigen, blendenden Schönheit einmal abgesehen.
    Als die Angst in mir erneut emporbrandete, bemühte ich mich, mir vorzustellen, wie ich einen Job hatte, den ich nicht hatte, in

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