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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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glücklichsten warst…«
    Ich wollte noch mehr sagen, wollte sagen, nein, nicht das - aber ich wußte nicht, warum! Und der Hunger wallte in mir empor, und die brennende Einsamkeit mischte sich hinein, und wieder sah ich Gretchen, sah ich das reine Entsetzen in ihrem Gesicht. Ich kam immer näher. David, David, endlich … Tu es! Und hör auf zu schwätzen, was geht es hier um Bilder, tu es! Was ist mit dir, daß du Angst hast, es zu tun?
    Und jetzt umschlang ich ihn fest in meiner Umarmung.
    Da kam noch einmal seine Angst, ein krampfhaftes Zucken, doch er wehrte sich nicht wirklich gegen mich, und ich genoß sie für einen Augenblick, diese lustvolle körperliche Intimität, diesen hochgewachsenen, königlichen Körper in meinen Armen zu halten. Ich ließ meine Lippen über sein dunkelgraues Haar streifen, atmete seinen vertrauten Duft ein, umfaßte seinen Kopf mit meinen Fingern. Und dann durchbrachen meine Zähne die Oberfläche der Haut, bevor ich es wollte, und das heiße, salzige Blut floß mir über die Zunge und füllte meinen Mund.
    David, David, endlich…
    Ein Sturzbach von Bildern flutete zu mir herein - die weiten Wälder Indiens, und große graue Elefanten donnerten vorbei, die Knie unbeholfen hebend, die mächtigen Köpfe wiegend, die kleinen Ohren, flatternd wie lose Blätter. Sonnenstrahlen im Wald. Wo ist der Tiger? Oh, lieber Gott, Lestat, du bist der Tiger! Du hast es ihm angetan! Darum wolltest du nicht, daß er daran denkt! Und in einem kurzen Aufscheinen sah ich, wie er mich anstarrte, David auf der sonnenüberstrahlten Lichtung, David Vorjahren in der Pracht seiner Jugend, lächelnd -und dann plötzlich, für den Bruchteil einer Sekunde, erschien über diesem Bild oder aus ihm hervorbrechend wie eine aufblühende Blume eine andere Gestalt, ein anderer Mann. Es war ein dürres, ausgemergeltes Wesen mit weißen Haaren und verschlagenen Augen. Und bevor es wieder im unsteten, leblosen Bild Davids verschwand, wußte ich, es war James!
    Der Mann in meinen Armen war James!
    Ich schleuderte ihn von mir und hob die Hand, um mir das überfließende Blut von den Lippen zu wischen.
    »James!« donnerte ich.
    Er fiel gegen die Seite des Bettes; seine Augen waren glasig, und das Blut rieselte ihm in den Hemdkragen. Er streckte mir eine Hand entgegen. »Jetzt nichts überstürzen!« schrie er in seinem altvertrauten Tonfall; seine Brust wogte, und der Schweiß glänzte auf seinem Gesicht.
    »Verdammt und zur Hölle mit dir!« brüllte ich und starrte in diese panisch glitzernden Augen in Davids Gesicht.
    Ich stürzte mich auf ihn, und ich hörte einen jähen Schwall von verzweifeltem, irrem Gelächter und dann weitere, hastige Worte.
    »Du Dummkopf! Es ist Talbots Körper! Du willst doch Talbots Körper nicht -!«
    Aber es war zu spät. Ich wollte mich bremsen, aber meine Hand hatte sich bereits um seine Kehle geschlossen, und schon hatte ich den Körper an die Wand geschmettert.
    Entsetzt sah ich, wie er gegen den Putz schlug. Ich sah das Blut aus dem Hinterkopf spritzen und hörte das häßliche Knirschen der zerborstenen Wand hinter ihm, und als ich vorsprang, um ihn aufzufangen, fiel er mir geradewegs in die Arme. Mit kuhhaft weit aufgerissenen Augen starrte er mich an, und sein Mund arbeitete verzweifelt, um die Worte hervorzubringen.
    »Sieh doch, was du getan hast, du Trottel, du Idiot… sieh doch, was… sieh doch …«
    »Bleib in diesem Körper, du kleines Monster!« zischte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Halte ihn am Leben!«
    Er schnappte nach Luft. Ein feines, schmales Blutrinnsal floß ihm aus der Nase hinunter in den Mund. Er verdrehte die Augen. Ich hielt ihn hoch, aber seine Füße baumelten schlaff herab, als wäre er gelähmt. »Du… du Dummkopf… ruf Mutter, ruf sie… Mutter, Mutter, Raglan braucht dich … Nicht Sarah rufen. Sag Sarah nichts. Ruf Mutter -« Und dann verlor er das Bewußtsein; sein Kopf rollte nach vom, und ich legte ihn auf das Bett.
    Ich war wie von Sinnen. Was sollte ich tun? Konnte ich seine Wunden mit meinem Blut heilen? Nein, die Verletzung war innen, in seinem Kopf, in seinem Gehirn! Ah, Gott! Das Gehirn. Davids Gehirn!
    Ich raffte den Telefonhörer an mich, stammelte die Zimmernummer und daß ein Notfall vorliege. Ein Mann sei schwer verletzt. Er sei gestürzt. Er habe einen Schlaganfall! Sie sollten sofort einen Krankenwagen rufen.
    Dann legte ich auf und kehrte zu ihm zurück. Davids Gesicht, sein Körper, hilflos vor mir! Die Lider flatterten,

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