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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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seine linke Hand öffnete sich, schloß sich und öffnete sich wieder. »Mutter«, wisperte er. »Hol Mutter. Sag ihr, Raglan braucht sie… Mutter.«
    »Sie kommt«, sagte ich. »Du mußt auf sie warten!« Sanft drehte ich seinen Kopf zur Seite. Aber was machte es in Wahrheit schon? Sollte er doch hinausfahren, wenn er konnte! Dieser Körper würde sich nicht wieder erholen! Dieser Körper würde nie wieder dazu taugen, David aufzunehmen!
    Und wo zum Teufel war David?
    Blut breitete sich überall auf der Bettdecke aus. Ich biß mir ins Handgelenk und ließ die Blutstropfen auf die Bißwunden an seinem Hals fallen. Vielleicht würden ein paar Tropfen auf den Lippen auch irgendwie helfen. Aber was konnte ich für das Gehirn tun? 0 Gott, wie hatte ich das nur tun können …
    »Dumm«, hauchte er, »so dumm. Mutter!«
    Die linke Hand fing an, auf dem Bett hin und her zu schlagen. Dann sah ich, daß der ganze linke Arm zuckte, und auch der linke Mundwinkel verzog sich wieder und wieder auf die gleiche, gleichförmige Weise, und die Augen blickten starr zur Decke und hörten auf, sich zu bewegen. Nur das Blut floß weiter aus der Nase in den Mund und auf die weißen Zähne.
    »Oh, David, das wollte ich nicht«, flüsterte ich. »Oh, Herrgott, er wird sterben!«
    Ich glaube, er sagte noch einmal »Mutter«.
    Aber jetzt hörte ich die Sirenen, die heulend den Ocean Drive heraufkamen, jemand hämmerte an die Tür. Ich schlüpfte beiseite, als sie aufgestoßen wurde, und verschwand ungesehen aus dem Zimmer. Andere Sterbliche hasteten die Treppe herauf. Sie sahen nur einen flüchtigen Schatten, als ich an ihnen vorüberflog. Im Foyer hielt ich noch einmal inne, und benommen sah ich, wie die Angestellten durcheinanderwirbelten. Das furchtbare Kreischen der Sirenen wurde immer lauter. Ich wandte mich um und stürzte beinahe stolpernd zur Tür hinaus und auf die Straße.
    »Oh, Herrgott, David, was habe ich getan?«
    Eine Autohupe schreckte mich auf, eine zweite Fanfare riß mich aus meiner Benommenheit. Ich stand mitten im Straßenverkehr. Ich wich auf den Sand zurück.
    Plötzlich hielt ein großer, stumpfnasiger weißer Krankenwagen ratternd vor dem Hotel. Ein stämmiger junger Mann sprang vom Vordersitz und rannte ins Foyer, und ein zweiter lief nach hinten und riß die Hecktür auf. Im Gebäude schrie jemand. Ich sah eine Gestalt oben an meinem Zimmerfenster.
    Ich entfernte mich weiter; meine Beine zitterten, als wäre ich sterblich, und meine Hand griff töricht an meinen Kopf, als ich durch die trüben Gläser meiner Sonnenbrille zu der grausigen Szene hinüberstarrte und zusah, wie die unvermeidliche Menge zusammenströmte, wie die Leute in ihrem ziellosen Schlendern innehielten, wie sie von den Tischen der benachbarten Restaurants aufsprangen und dem Hoteleingang entgegendrängten.
    Bald war es unmöglich, noch etwas auf normale Weise zu sehen, aber die Szene nahm vor mir Gestalt an, als ich Bilder und Eindrücke aus den Köpfen der Sterblichen empfing - die schwere Trage, die durch das Foyer geschleppt wurde, Davids hilfloser Körper, der darauf festgeschnallt war, die Sanitäter, die die Leute zur Seite schoben.
    Die Türen des Krankenwagens wurden zugeschlagen. Wieder setzte der fürchterliche Sirenenton ein, und der Wagen jagte davon und brachte Davids Körper Gott weiß wohin!
    Ich mußte etwas unternehmen! Aber was? Ins Krankenhaus und dann die Verwandlung des Körpers vornehmen! Was sonst könnte ihn retten? Und dann hast du James darin? Wo ist David? Lieber Gott, hilf mir. Aber warum solltest du?
    Endlich setzte ich mich in Bewegung. Ich eilte die Straße hinauf, sprintete mühelos an den Sterblichen vorbei, die mich kaum sehen konnten, und fand eine gläserne Telefonzelle; ich schlüpfte hinein und schlug die Tür zu.
    »Ich muß London erreichen«, sagte ich der Vermittlung und spulte die nötigen Informationen ab: die Talamasca, R-Gespräch. Wieso dauerte das so lange? Ich schlug ungeduldig mit der rechten Faust an die Scheibe und drückte mir den Hörer ans Ohr. Endlich meldete sich eine dieser freundlichen Talamasca-Stimmen und nahm den Anruf entgegen.
    »Hören Sie zu«, sagte ich und sprudelte meinen vollen Namen hervor. »Es wird Ihnen unverständlich erscheinen, aber es ist schrecklich wichtig. Der Körper David Talbots ist soeben in Miami ins Krankenhaus gebracht worden. Ich weiß nicht einmal, in welches Krankenhaus! Aber der Körper ist schwer verletzt. Es kann sein, daß er stirbt. Aber Sie müssen

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