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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Götter haben den Zauber gewirkt. Komm, komm jetzt mit mir.
    Aber ich sagte nichts. Ich bettelte nicht. Ich stand schweigend im Korridor und ließ mir seinen Blutgeruch in die Nase steigen, den Geruch, der von allen Sterblichen ausgeht und der bei jedem auf seine Weise anders ist. Wie es mich quälte, diese neue Vitalität zu erkennen, diese schärfere Hitze und den gesunderen, langsameren Herzschlag, den ich hören konnte, als spräche der Körper selbst zu mir, wie ich nicht zu ihm sprechen konnte.
    In jenem Cafe in New Orleans hatte ich den gleichen scharfen Geruch des Lebens bei diesem physischen Wesen wahrgenommen, aber es war doch nicht der gleiche gewesen. Nein, ganz und gar nicht der gleiche.
    Es war ein leichtes, das alles in mich einzusperren. Ich zog mich zurück in die spröde, einsame Stille eines gewöhnlichen Menschen. Ich mied seinen Blick. Ich wollte keine entschuldigenden, unzulänglichen Worte mehr hören.
    »Wir sehen uns bald wieder«, sagte ich. »Ich weiß, du wirst mich brauchen. Du wirst deinen einzigen Zeugen brauchen, wenn dir all das Grauenhafte und Geheimnisvolle zuviel werden. Ich werde kommen. Aber laß mir Zeit. Und vergiß nicht, meinen Agenten in Paris anzurufen. Verlaß dich nicht auf die Talamasca. Du wirst ihr doch sicher nicht auch dieses Leben weihen wollen?«
    Als ich mich abwandte, hörte ich das ferne, gedämpfte Geräusch der Aufzugtür. Sein Freund war gekommen, ein zierlicher, weißhaariger Mann, gekleidet, wie David sich so oft gekleidet hatte, in einen adretten, altmodischen Anzug mit Weste. Wie besorgt er aussah, als er mit schnellen, elastischen Schritten auf uns zukam. Dann sah ich, daß er mich erblickt hatte, und sein Schritt verlangsamte sich.
    Ich eilte davon und ignorierte die ärgerliche Erkenntnis, daß der Mann mich kannte, daß er wußte, wer ich war und was ich war. Um so besser, dachte ich, denn er wird David sicher glauben, wenn David ihm seine seltsame Geschichte erzählt.
    Die Nacht erwartete mich wie immer. Und mein Durst konnte nicht mehr warten. Einen Moment lang stand ich da, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, den Mund geöffnet; ich fühlte den Durst und wollte brüllen wie eine hungrige Bestie. Ja, Blut also wieder, wenn es nichts anderes gibt. Wenn die Welt in ihrer ganzen Schönheit so leer und herzlos erscheint und ich mich so rettungslos verirrt habe. Gebt mir meinen alten Freund, den Tod, und das Blut, das mit ihm strömt. Der Vampir Lestat ist hier, und er hat Durst, und heute nacht, mehr denn je, wird er sich nicht abweisen lassen.
    Aber als ich das schäbige Hinterland der Straßen auf der Suche nach den grausamen Opfern durchstreifte, die ich so sehr liebte, da wußte ich, daß ich meine geliebte Stadt des Südens, mein Miami, verloren hatte. Zumindest für eine Weile.
    Vor meinem geistigen Auge sah ich immer wieder das elegante kleine Zimmer in Park Central mit seinen Fenstern zum Meer, und ich sah den falschen David, der sagte, er wolle das Geschenk der Finsternis von mir! Und Gretchen. Würde ich je an diese Augenblicke denken, ohne mich an Gretchen zu erinnern, und daran, wie ich meine Geschichte von Gretchen vor dem Mann ausgebreitet hatte, den ich für David hielt, während wir die Treppe zu diesem Zimmer hinaufstiegen und das Herz in meiner Brust klopfte und ich immer nur dachte: Endlich! Endlich!
    Verbitten und zornig und leer, wie ich war, wollte ich die hübschen Hotels von South Beach nie wiedersehen.

 
     
EINMAL
JENSEITS DE
NATUR…

Neunundzwanzig
    Z wei Nächte später kehrte ich nach New Orleans zurück. Ich hatte mich auf den
    Florida Keys herumgetrieben und in den altmodischen kleinen Städten des Südens, und ich war stundenlang an den Stranden entlangspaziert und hatte sogar die nackten Zehen in den weißen Sand gebohrt.
    Endlich war ich zurück. Die unvermeidlichen Winde hatten das kalte Wetter verweht. Die Luft war beinahe wieder wie Balsam -mein New Orleans -, und der Himmel wölbte sich hoch und hell über den jagenden Wolken.
    Ich begab mich unverzüglich zu meiner guten alten Mieterin und rief Mojo, der hinten im Garten schlief, weil es ihm in dem kleinen Apartment zu warm war. Er knurrte nicht, als ich zu ihm hinaustrat. Aber erst beim Klang meiner Stimme erkannte er mich. Sobald ich seinen Namen aussprach, gehörte er wieder mir.
    Sofort kam er heran und sprang an mir hoch; er legte mir die weichen, schweren Pfoten auf die Schultern und leckte mir mit seiner großen, schinkenrosa Zunge

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