Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
stand dem Körper; vermutlich stand es ihnen beiden.
    Das Zimmer hinter ihm war sehr nett: rustikal im Stil der Inseln mit Balkendecke und rosa gefliestem Boden. Auf dem Bett lag eine Decke, mit einem gezackten geometrischen Indianermuster in fröhlichen Pastellfarben bedruckt. Kleiderschrank und Kommoden waren weiß und mit bunten Blumen bemalt. Die vielen einfachen Lampen spendeten großzügiges Licht.
    Aber ich mußte doch lächeln, als ich sah, daß er inmitten all dieses Luxus saß und tippte: David, der Gelehrte, dessen dunkle Augen mit den Ideen in seinem Kopf tanzten.
    Als ich näher kam, bemerkte ich, daß er sehr glatt rasiert war. Seine Fingernägel waren geschnitten und poliert, vielleicht von einer Maniküre. Er hatte immer noch den vollen, welligen Haarschopf, den ich so nachlässig getragen hatte, als ich in diesem Körper gewesen war, aber auch er war geschnitten und hatte eine insgesamt ansprechendere Form. Sein Exemplar von Goethes Faust lag aufgeschlagen neben ihm; darauf lag ein Federhalter, und viele der Seiten waren umgeknickt oder mit kleinen Silberclips markiert.
    Ich war immer noch mit meiner Inspektion beschäftigt - registrierte die Scotchflasche neben ihm, das Kristallglas mit dem dicken Boden, die Schachtel mit den kleinen, dünnen Zigarren -, als er aufblickte und mich sah.
    Ich stand im Sand, ein ganzes Stück weit vor der Veranda mit ihrer niedrigen Betonmauer, aber im Licht deutlich sichtbar.
    »Lestat«, flüsterte er, und sein Gesicht erstrahlte wunderschön. Sofort stand er auf und kam mit diesem vertrauten, anmutigen Schritt auf mich zu. »Gott sei Dank, daß du gekommen bist.«
    »Meinst du?« Ich mußte an jenen Augenblick in New Orleans denken, als ich gesehen hatte, wie der Körperdieb hastig das Cafe du Monde verließ; ich hatte gedacht, daß dieser Körper sich bewegen könnte wie ein Panther, wenn jemand anders darin wohnte.
    Er wollte mich in die Arme schließen, aber ich erstarrte und wich kaum merklich zurück, und da blieb er stehen und verschränkte die Arme vor der Brust - eine Geste, die ganz und gar zu diesem Körper zu gehören schien, als könnte ich mich nicht erinnern, diese Bewegung je bei ihm gesehen zu haben, bevor wir uns in Miami getroffen hatten. Die Arme waren kräftiger als seine alten. Auch die Brust war breiter.
    Wie nackt sie aussah. Wie dunkelrosa die Brustwarzen. Wie wild und klar sein Blick.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte er.
    »Wirklich? Du hast doch hier sicher nicht als Einsiedler gelebt?«
    »Nein. Ich glaube sogar, ich habe zu viele andere gesehen. Zu viele kleine Dinnerparties in Bridgetown. Und mein Freund Aaron war ein paarmal hier. Andere Ordensmitglieder ebenfalls.« Er schwieg für einen Moment. »Ich ertrage ihre Gesellschaft nicht, Lestat. Ich ertrage es auch nicht, in Talbot Manor mit dem Personal zusammenzusein und so zu tun, als sei ich ein Cousin meines alten Ich. Es hat etwas wirklich Abstoßendes, was geschehen ist. Manchmal ertrage ich es nicht, in den Spiegel zu schauen. Aber ich will jetzt nicht über diese Seite der Angelegenheit sprechen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es eine vorübergehende Periode der Anpassung ist. Diese Schocks werden irgendwann vorbei sein. Ich habe so viel zu tun. Oh, ich bin so froh, daß du gekommen bist. Ich habe es geahnt. Fast wäre ich heute morgen nach Rio aufgebrochen, aber ich hatte das deutliche Gefühl, ich würde dich heute abend sehen.«
    »Ach ja.«
    »Was ist denn? Warum so ein finsteres Gesicht? Warum bist du zornig?«
    »Weiß ich nicht. Ich brauche in letzter Zeit eigentlich keinen rechten Grund, um zornig zu sein. Und ich sollte doch glücklich sein. Das werde ich auch bald sein. So ist es immer, und schließlich -heute ist eine wichtige Nacht.«
    Er starrte mich an und versuchte herauszufinden, was ich damit sagen wollte - oder, besser gesagt, was die angemessene Antwort für ihn wäre.
    »Komm herein«, sagte er schließlich.
    »Warum wollen wir nicht hier draußen im Dunkeln auf der Terrasse sitzen? Ich finde den Wind angenehm.«
    »Sicher. Wie du möchtest.«
    Er ging in das kleine Zimmer, nahm die Flasche Scotch und schenkte sich etwas ein; dann kam er zu mir an den Holztisch. Ich hatte mich auf einem der Stühle niedergelassen und schaute auf das Meer hinaus.
    »Und was hast du getrieben?« fragte ich.
    »Ach, wo soll ich anfangen?« sagte er. »Ich schreibe ständig darüber - versuche, all die kleinen Empfindungen zu beschreiben, die neuen Entdeckungen.«
    »Gibt es noch

Weitere Kostenlose Bücher