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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Zweifel daran, daß du in diesem Körper fest verankert bist?«
    »Nein.« Er nahm einen großen Schluck von seinem Scotch. »Und es scheint auch keinerlei Verfall stattzufinden. Weißt du, das hatte ich nämlich befürchtet. Ich hatte es sogar befürchtet, als du in diesem Körper warst, aber ich wollte nichts davon sagen. Wir hatten Sorgen genug, nicht wahr?« Er sah mich an, und plötzlich lächelte er. Langsam und wie betäubt sagte er: »Du siehst einen Mann vor dir, den du in- und auswendig kennst.«
    »Nein, eigentlich nicht«, sagte ich. »Wie kommst du mit der Wahrnehmung Fremder zurecht… solcher, die es nicht vermuten? Fordern Frauen dich auf, in ihr Schlafzimmer zu kommen? Und wie ist es mit jungen Männern?«
    Er schaute auf das Meer hinaus, und plötzlich lag ein Hauch von Bitterkeit in seinem Blick. »Du kennst die Antwort. Ich kann mir solche Begegnungen nicht zum Beruf machen. Sie bedeuten mir nichts. Ich behaupte nicht, daß ich nicht hin und wieder eine Safari in ein Schlafzimmer genossen hätte. Aber ich habe wichtigere Dinge zu tun, Lestat, sehr viel wichtigere Dinge.
    Es gibt Orte, die ich besuchen will - Länder und Städte, von denen ich immer geträumt habe. Rio ist nur der Anfang. Es gibt Geheimnisse, die ich erkunden, Dinge, die ich herausfinden muß.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    »Du hast etwas sehr Wichtiges zu mir gesagt, als wir das letztemal zusammen waren. Du hast gesagt: Sicher wirst du der Talamasca nicht auch dieses Leben schenken? Nun, ich werde es ihnen nicht schenken. Mein oberster Gedanke ist, daß ich es nicht vergeuden darf. Daß ich etwas von absoluter Bedeutung damit tun muß. Natürlich weiß ich nicht auf Anhieb, welches die richtige Richtung ist. Es muß eine Periode des Reisens kommen, des Lernens, des Bewertens, bevor ich entscheide, welche Richtung ich einschlage. Und während ich mich mit meinen Studien beschäftige, schreibe ich. Ich schreibe alles auf. Manchmal scheint es, als sei das Aufzeichnen selbst das Ziel.«
    »Ich weiß.«
    »Es gibt vieles, was ich dich fragen möchte. Ich werde von Fragen geplagt.«
    »Wieso? Was denn für Fragen?«
    »Was du in diesen paar Tagen erlebt hast und ob du es auch nur im geringsten bedauerst, daß wir das Unternehmen so bald beendet haben.«
    »Welches Unternehmen? Du meinst mein Leben als Sterblicher?«
    »Ja.«
    »Das bedaure ich nicht.«
    Er wollte etwas sagen, brach dann aber ab. Schließlich sprach er doch. »Was hast du mit zurückgenommen?« fragte er mit leiser, inbrünstiger Stimme.
    Wieder sah ich ihn an. Ja, das Gesicht war unverkennbar kantiger. War es die Persönlichkeit, die es geschärft und ihm klarere Konturen gegeben hatte? Makellos, dachte ich.
    »Entschuldige, David, ich war mit meinen Gedanken woanders. Frage mich noch einmal.«
    »Was hast du mit zurückgenommen?« fragte er mit seiner altvertrauten Geduld. »Welche Lektion hast du gelernt?«
    »Ich weiß nicht, ob es eine Lektion war«, sagte ich. »Und vielleicht brauche ich noch Zeit, um zu verstehen, was immer ich gelernt habe.«
    »Ja, das verstehe ich natürlich.«
    »Ich kann dir sagen, daß ich mir einer neuen Abenteuerlust bewußt bin, einer Lust auf Reisen, auf genau diese Dinge, die du da beschreibst. Ich möchte noch einmal in den Regenwald; ich habe ihn nur so kurze Zeit gesehen, als ich bei Gretchen war. Es gab dort einen Tempel. Ich will ihn noch einmal sehen.«
    »Du hast mir nie erzählt, was da passiert ist.«
    »O doch, ich habe es dir erzählt, aber da warst du noch Raglan. Der Körperdieb hat dieses kleine Geständnis gehört. Warum um alles in der Welt wollte er so etwas stehlen? Aber ich komme vom Thema ab. Es gibt so viele Orte, die auch ich gerne besuchen möchte.«
    »Ja.«
    »Ich habe wieder Lust auf die Zeit, auf die Zukunft, auf die Geheimnisse der natürlichen Welt. Lust, der Zuschauer zu sein, der ich in jener Nacht in Paris vor so langer Zeit zu werden gezwungen war. Ich habe meine Illusionen verloren. Ich habe meine Lieblingslügen eingebüßt. Man könnte sagen, ich habe diesen Augenblick noch einmal aufgesucht und bin aus freiem Willen in die Finsternis wiedergeboren worden. Ah, und was für ein Wille das ist!«
    »Ja. Ich verstehe.«
    »Ja? Das ist gut.«
    »Wieso redest du so?« Er senkte die Stimme und sprach langsam. »Brauchst du mein Verständnis denn so sehr wie ich das deine?«
    »Du hast mich nie verstanden«, sagte ich. »Oh, das ist kein Vorwurf. Du lebst mit Illusionen über mich, die es dir

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