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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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unten in der Küche herum, während der Lord sich in seinem Schlafzimmer im ersten Stock umzog.
    Ich beobachtete ihn, wie er einen langen schwarzen Hausmantel mit Revers und Schärpe aus schwarzem Samt über seinen Pyjama zog; er sah darin fast wie ein Geistlicher aus, obgleich das Muster natürlich viel zu prächtig für eine Soutane war, zumal da er sich noch einen weißen Seidenschal um den Hals geschlungen hatte. Dann ging er die Treppe hinunter.
    Ich trat durch meine bevorzugte Tür am Ende des Korridors und kam zu ihm in die Bibliothek, als er sich vorbeugte, um im Feuer zu stochern.
    »Ah, Sie sind zurückgekommen«, sagte er und bemühte sich, sein Entzücken zu verbergen. »Lieber Gott, Sie kommen und gehen so lautlos!«
    »Ja, es ist ziemlich ärgerlich, nicht wahr?« Ich schaute die Bibel auf dem Tisch an, den Faust und die kleine Short story von Lovecraft, die immer noch zusammengeheftet, aber glattgestrichen war. Davids Karaffe mit Scotch und ein hübsches Kristallglas mit dickem Boden standen ebenfalls da.
    Ich starrte die Short story an, und die Erinnerung an den ängstlichen jungen Mann, der da zu mir gekommen war, überfiel mich erneut. So eigenartig, wie er sich bewegt hatte. Ein leises Beben durchzog mich bei dem Gedanken daran, daß er mich an drei ganz verschiedenen Orten entdeckt hatte. Wahrscheinlich würde ich ihn nie wieder zu Gesicht bekommen. Andererseits… Aber ich hatte noch genug Zeit, mich um diesen lästigen Sterblichen zu kümmern. Jetzt war ich mit David beschäftigt, und das in dem vorzüglichen Bewußtsein, daß wir die ganze Nacht über Zeit hatten, miteinander zu reden.
    »Wo haben Sie nur wieder diese hübschen Sachen her?« fragte David. Sein Blick musterte mich langsam und bedächtig, und er schien gar nicht zu merken, daß meine Aufmerksamkeit seinen Büchern galt.
    »Oh, aus einem kleinen Laden irgendwo. Ich stehle niemals die Kleider meiner Opfer, wenn Sie das meinen. Außerdem bin ich allzu süchtig nach Gesindel, und diese Leute kleiden sich nicht gut genug far das, was ich so trage.«
    Ich machte es mir in dem Sessel bequem, der dem seinen gegenüberstand und der jetzt vermutlich mein Sessel war. Tiefe, nachgiebige Lederpolster und knarrende Federn, aber sehr bequem, ein hochlehniger Ohrensessel mit breiten, üppigen Armlehnen. Sein eigener Sessel paßte nicht dazu, aber er war ebenso gut und noch ein bißchen faltiger und verschlissener.
    Er stand vor dem Feuer und musterte mich immer noch. Dann setzte auch er sich. Er nahm den Glasstopfen von der Kristallkaraffe, schenkte sich ein und hob sein Glas zu einem kleinen Salut.
    Er nahm einen großen Schluck und verzog leicht das Gesicht; offenbar rann ihm die Flüssigkeit warm durch die Kehle.
    Plötzlich erinnerte ich mich sehr lebhaft an dieses Gefühl. Ich erinnerte mich an die Tenne der Scheune auf meinem Landgut in Frankreich, wo ich genauso Cognac getrunken, ja, sogar genau die gleiche Grimasse gemacht hatte, und wo mein sterblicher Freund und Liebhaber Nicki mir die Flasche gierig aus der Hand gerissen hatte.
    »Wie ich sehe, sind Sie wieder Sie selbst«, sagte David mit unverhoffter Wärme und senkte dabei die Stimme leicht, während er mich anschaute. Er lehnte sich zurück und stellte sein Glas auf die rechte Armlehne seines Sessels. Er sah sehr würdevoll aus, aber auch sehr viel gelassener, als ich ihn je gesehen hatte. Sein Haar war dicht und wellig und hatte inzwischen einen wunderschönen dunklen Grauton angenommen.
    »Ich erscheine wieder wie ich selbst?« fragte ich.
    »Sie haben dieses boshafte Funkeln im Auge«, antwortete er flüsternd und betrachtete mich weiter eingehend. »Und ein kleines Lächeln auf den Lippen. Es verschwindet allenfalls für eine Sekunde, wenn Sie sprechen. Und die Haut - nun, das ist ein bemerkenswerter Unterschied. Ich hoffe inständig, daß Sie keine Schmerzen haben. Sie haben doch keine, oder?«
    Ich machte eine kleine, wegwerfende Handbewegung. Ich hörte seinen Herzschlag; er war um eine Spur schwächer, als er es in Amsterdam gewesen war, und hin und wieder auch unregelmäßig.
    »Wie lange wird Ihre Haut so dunkel bleiben?« fragte er.
    »Jahre vielleicht; mir scheint, einer der Alten hat mir so etwas gesagt. Habe ich nicht in Die Königin der Verdammten darüber geschrieben?« Ich dachte an Marius und wie wütend er im allgemeinen auf mich gewesen war. Wie würde er mißbilligen, was ich jetzt getan hatte.
    »Es war Maharet, die Alte mit den roten Haaren«, sagte David.

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