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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Vernunft beeinflußt.«
    »Nein, weiß ich nicht. Ich habe Träume, aber keine Offenbarungen«, sagte ich. »Bitte, erklären Sie’s mir.«
    Er hing wieder seinen Gedanken nach und schaute dabei ins Feuer.
    »Sperren Sie mich nicht aus«, sagte ich leise.
    » Hmmm. Ja. Ich habe überlegt, wie ich es beschreiben soll. Nun, Sie wissen, ich bin immer noch ein Candomble-Priester. Ich meine, ich kann unsichtbare Mächte heraufbeschwören: Pestgeister, astrale Landstreicher, wie immer man sie nennen will… Poltergeister, kleines Spukzeug. Das bedeutet, ich muß schon immer die latente Fähigkeit besessen haben, Geister zu sehen.«
    »Ja. Vermutlich…«
    »Nun, und ich habe einmal etwas gesehen, etwas Unerklärliches, bevor ich nach Brasilien fuhr.«
    »Ja?«
    »Vor Brasilien hatte ich es eigentlich weitgehend beiseite geschoben. Ja, es war so beunruhigend, so absolut unerklärlich, daß ich es völlig verdrängt hatte, als ich nach Rio reiste. Aber jetzt denke ich die ganze Zeit daran. Ich kann nicht aufhören, daran zu denken. Und deshalb habe ich mich der Bibel zugewandt, als ob ich dort Weisheit finden könnte.«
    »Erzählen Sie.«
    »Es war in Paris, kurz vor dem Krieg. Ich war mit meiner Mutter da. Ich saß in einem Cafe am linken Ufer; ich weiß nicht einmal mehr, welches Cafe es war - nur, daß es ein schöner Frühlingstag war und eine einfach wunderbare Jahreszeit für Paris, wie es ja auch alle Schlager behaupten. Ich trank ein Bier, las englische Zeitungen und merkte plötzlich, daß ich ein Gespräch mit anhörte.« Wieder verlor ersieh in Gedanken. »Ich wünschte, ich wüßte, was da wirklich vor sich ging«, murmelte er vor sich hin.
    Er beugte sich vor, griff mit der Rechten nach dem Schürhaken und stieß gegen die Holzscheite, so daß eine Wolke von feurigen Funken an den dunklen Ziegelsteinen entlang emporwirbelte.
    Zu gern hätte ich ihn zurückgezogen, aber ich wartete. Endlich sprach er weiter. »Ich saß, wie gesagt, in diesem Cafe.«
    »Ja.«
    »Und ich merkte, daß ich einem seltsamen Gespräch zuhörte… es war nicht Englisch, und es war nicht Französisch… und nach und nach wurde mir klar, daß es eigentlich überhaupt keine Sprache war, und doch konnte ich alles verstehen. Ich ließ die Zeitung sinken und begann mich zu konzentrieren. Es ging immer weiter, eine Art Streit. Und plötzlich wußte ich nicht mehr, ob die Stimmen überhaupt im konventionellen Sinn hörbar waren oder nicht. Ich war nicht mehr sicher, ob jemand anders dies auch hören könnte! Ich blickte auf und drehte mich langsam um. Und da waren sie… zwei Wesen, die an einem Tisch saßen und miteinander redeten, und einen kurzen Moment lang kam es mir ganz normal vor: zwei Männer, ins Gespräch vertieft. Ich wandte mich wieder meiner Zeitung zu, und ein schwimmendes Gefühl überkam mich. Ich mußte mich irgendwie festhaken, mußte für einen Augenblick die Zeitung fixieren, dann die Tischplatte, damit das Schwimmen aufhörte. Der Cafelärm kehrte zurück wie ein volles Orchester. Und ich wußte, ich hatte mich gerade umgedreht und zwei Individuen angeschaut, die keine menschlichen Wesen waren.
    Ich drehte mich noch einmal um und zwang mich, konzentriert hinzusehen und mir all dessen bewußt zu sein, scharf bewußt. Und sie waren immer noch da, und es war schmerzhaft klar, daß sie eine Illusion waren. Sie bestanden einfach nicht aus demselben Stoff wie alles andere um sie herum. Wissen Sie, was ich damit sagen will? Ich kann es in Einzelteile zerlegen. Sie wurden zum Beispiel nicht vom selben Licht beleuchtet, sie existierten in einem Reich, in dem das Licht aus einer anderen Quelle kam.«
    »Wie das Licht bei Rembrandt.«
    »Ja, eher so. Ihre Kleider und ihre Gesichter waren glatter als bei menschlichen Wesen. Ja, die ganze Vision war von einer anderen Struktur, und diese Struktur war in allen Details gleichförmig.«
    »Haben die beiden Sie nicht gesehen?«
    »Nein. Ich will damit sagen, sie haben mich nicht angesehen und mich nicht zur Kenntnis genommen. Sie schauten einander an und redeten immer noch, und ich nahm den Faden gleich wieder auf. Es war Gott, der mit dem Teufel sprach und dem Teufel sagte, er müsse den Job weitermachen. Und der Teufel wollte nicht. Er erklärte, seine Dienstzeit dauere bereits zu lange. Es passiere ihm das gleiche, was allen anderen auch passiert sei. Gott sagte, Er verstehe das, aber der Teufel müsse doch wissen, wie wichtig er sei; er könne sich nicht einfach vor seinen Aufgaben

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