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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wanderte wieder zum Feuer.
    »Was glauben Sie, Lestat? Was glauben Sie wirklich? In Ihrem innersten Herzen. Gibt es einen Gott oder einen Teufel? Ich meine, was glauben Sie ehrlich?« Ich überlegte lange, ehe ich antwortete.
    »Ich glaube, daß Gott existiert. Ich sag’s nicht gern. Aber ich glaube es. Wahrscheinlich existiert auch ein Teufel in irgendeiner Form. Ich gebe es zu - es ist eine Frage der fehlenden Mosaiksteine, wie wir schon festgestellt haben. Und es kann leicht sein, daß Sie das Höchste Wesen und Seinen Widersacher in diesem Pariser Cafe gesehen haben. Aber es gehört zu ihrem aufreizenden Spiel, daß wir es nie mit Sicherheit sagen können. Sie suchen eine wahrscheinliche Erklärung für ihr Benehmen? Weshalb sie Ihnen einen kurzen Blick gestatteten? Sie wollten Sie in irgendeine religiöse Reaktion verwickeln! Auf diese Weise spielen sie mit uns. Sie werfen mit Visionen um sich, mit Wundern und mit göttlichen Offenbarungen bröckchenweise. Und wir ziehen voller Eifer los und gründen eine Kirche. Das alles ist Teil ihres Spiels, Teil ihres ewigen und endlosen Geredes. Und wissen Sie was? Ich glaube, Ihre Auffassung von ihnen - ein unvollkommener Gott und ein Teufel, der noch lernen muß - ist genauso gut wie jede andere Interpretation. Ich glaube, Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    Er starrte mich eindringlich an, antwortete aber nicht.
    »Nein«, fuhr ich fort, »es ist uns nicht bestimmt, die Antworten zu kennen. Es ist uns nicht bestimmt, zu wissen, ob unsere Seelen in der Reinkarnation von Körper zu Körper wandern. Es ist uns nicht bestimmt, zu wissen, ob Gott die Welt erschaffen hat. Ob Er Allah ist oder Jahwe oder Shiva oder Christus. Er sät Zweifel, während Er Offenbarungen pflanzt. Er hält uns alle zum Narren.«
    Er antwortete immer noch nicht.
    »Verlassen Sie die Talamasca, David«, sagte ich. »Gehen Sie nach Brasilien, bevor Sie zu alt sind. Kehren Sie zurück nach Indien. Sehen Sie sich die Orte an, die Sie sehen möchten.«
    »Ja, ich glaube, das sollte ich tun«, sagte er leise. »Und sie werden mir das alles wahrscheinlich abnehmen. Die Altesten sind bereits zusammengetreten, um die Angelegenheit David und seine in letzter Zeit häufig auftretenden Abwesenheiten im Mutterhaus zu erörtern. Sie werden mich in den Ruhestand versetzen, natürlich mit einer hübschen Pension.«
    »Wissen Sie, daß Sie sich mit mir treffen?«
    »O ja. Das ist ein Teil des Problems. Die Ältesten haben den Kontakt verboten. Eigentlich sehr amüsant, da sie ja so verzweifelt darauf aus sind, selbst einmal einen Blick auf Sie zu werfen. Sie merken es natürlich, wenn Sie ins Mutterhaus kommen.«
    »Das weiß ich«, sagte ich. »Aber was soll das heißen, sie haben den Kontakt verboten?«
    »Oh, das ist nur die Standardermahnung«, sagte er, ohne den Blick von den brennenden Holzscheiten zu wenden. »Alles eigentlich ziemlich mittelalterlich - es basiert auf einer alten Direktive: ›Du sollst dieses Wesen nicht ermutigen, noch sollst du ein Gespräch mit ihm beginnen oder ein solches verlängern; will es aber nicht ablassen von seinen Besuchen, so sollst du dein Bestes tun, es an einen bevölkerten Ort zu locken. Es ist wohlbekannt, daß es diesen Kreaturen ein Graus ist, jemanden anzugreifen, wenn sie von Sterblichen umgeben sind. Und niemals, niemals sollst du danach trachten, Geheimnisse von diesem Wesen zu erfahren, oder auch nur einen Augenblick lang glauben, irgendein Gefühl, das es zum Vorschein bringt, sei echt, denn diese Kreaturen heucheln mit bemerkenswertem Geschick, und man weiß, daß sie aus Gründen, die sich jeder Analyse widersetzen, schon Sterbliche in den Wahnsinn getrieben haben; so ist es widerfahren hochgelehrten Forschern wie glücklosen Unschuldigen, mit denen die Vampire in Berührung gekommen. Du wirst dringend ermahnt, jegliche Art von Begegnungen, Sichtungen etc. ohne Verzug den Altesten mitzuteilen.‹«
    »Das können Sie wirklich auswendig?«
    »Ich habe diese Direktive selbst geschrieben«, sagte er und lächelte matt. »Ich habe sie im Laufe der Jahre vielen anderen Mitgliedern erteilt.«
    »Und sie wissen, daß ich jetzt hier bin?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich habe vor langer Zeit aufgehört, über unsere Begegnungen Bericht zu erstatten.« Er versank wieder in Gedanken und fragte dann: »Suchen Sie Gott?«
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte ich. »Ich kann mir keine größere Zeitverschwendung vorstellen, selbst wenn man Jahrhunderte zur Verfügung

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