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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gegangen. Unentwegt hörte ich seine Stimme und versuchte mir seine fragmentarische Vision von Gott und dem Teufel im Cafe vorzustellen. Aber meine Haltung zu all dem war einfach und erwartungsgemäß: Ich sah David im Besitz einiger überaus tröstlicher Illusionen. Und bald würde er mich verlassen haben. Der Tod würde ihn bekommen. Dann hätte ich nur noch diese Manuskripte seines Lebens. Ich konnte mich nicht zu dem Glauben zwingen, er werde noch irgendeine Art von Wissen erlangen, wenn er tot wäre.
    Gleichwohl war das alles wirklich sehr überraschend: die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, seine Energie, die eigenartigen Dinge, die er gesagt hatte.
    Wohlig in Gedanken verloren, betrachtete ich den bleiernen Himmel und den Schnee, der unten die Gehwege bedeckte, als mich plötzlich ein Schwindelanfall überkam - genauer gesagt, ein Augenblick völliger Desorientierung, als schliefe ich ein. Es war eigentlich ein sehr angenehmes Gefühl, dieses subtile Vibrieren, begleitet von Schwerelosigkeit, als ob ich wirklich aus der physikalischen Welt hinaus und in meine Träume hinein schwebte. Dann kam wieder dieses Druckgefühl, das ich in Miami schon einmal so flüchtig erlebt hatte: als ob meine Glieder sich zusammenzögen, als ob meine ganze Gestalt sich zu mir nach innen preßte, mich einengte und zusammendrückte - und dann plötzlich die furchterregende Vorstellung, wie ich durch meine eigene Schädeldecke gequetscht wurde!
    Warum geschah das? Mich schauderte wie schon an jenem einsamen, dunklen Strand in Florida, wo es mir ebenfalls passiert war. Und gleich war das Gefühl wieder verflogen. Ich war wieder ich selbst und fühlte unbestimmten Ärger.
    War etwas nicht in Ordnung mit meiner gutaussehenden, gottähnlichen Anatomie? Unmöglich. Ich brauchte nicht einmal die Alten, um mich dieser Wahrheit zu versichern. Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich mir nun Sorgen machen oder die ganze Sache vergessen sollte oder ob ich sogar versuchen sollte, es selbst noch einmal herbeizuführen, als mich ein Klopfen an der Tür aus meinen Gedanken riß.
    Höchst ärgerlich.
    »Eine Nachricht für Sie, Sir. Der Gentleman hat mir aufgetragen, sie Ihnen persönlich auszuhändigen.«
    Das mußte ein Irrtum sein. Trotzdem öffnete ich.
    Der junge Mann gab mir einen Umschlag. Dick, klobig. Eine Sekunde lang konnte ich ihn nur anstarren. Ich hatte noch eine Pfundnote in der Tasche, von dem kleinen Dieb, den ich mir zu Gemüte geführt hatte, ich gab sie dem Jungen und schloß die Tür wieder.
    Es war ein Umschlag von der gleichen Art wie der, den ich in Miami von dem wahnsinnigen Sterblichen bekommen hatte, der über den Sand hinweg auf mich zugelaufen war. Und dieses Gefühl! Ich hatte das gleiche bizarre Gefühl empfunden, genau in dem Moment, als mein Blick auf dieses Geschöpf gefallen war. Oh, aber das war doch nicht möglich …
    Ich riß den Umschlag auf. Meine Hände zitterten plötzlich. Es war wieder eine gedruckte kleine Short story, genauso wie die erste aus einem Buch geschnitten und genauso in der linken oberen Ecke zusammengeheftet!
    Ich war wie vom Donner gerührt. Wie zum Teufel hatte er mich hier aufspüren können? Niemand wußte, daß ich hier war. Nicht einmal David wußte, daß ich hier war! Oh, da waren Kreditkartennummern im Spiel, aber, du lieber Gott, jeder Sterbliche hätte Stunden gebraucht, um mich auf diese Weise ausfindig zu machen, wenn das überhaupt möglich war, was ich aber bezweifelte.
    Und was hatte das Gefühl damit zu tun - dieses wunderliche Vibrationsempfinden und dieser Druck, der sich innerhalb meiner Glieder bemerkbar machte?
    Aber ich hatte keine Zeit mehr, über all das nachzudenken. Es wurde Morgen!
    Die Gefährlichkeit dieser Situation war mir sofort ersichtlich. Wieso zum Teufel hatte ich sie nicht schon früher erkannt? Dieses Wesen besaß ganz unzweifelhaft die Mittel, zu wissen, wo ich war - sogar, wo ich mich bei Tag gerade verbarg! Ich mußte raus aus diesen Zimmern. Es war wirklich unerhört!
    Zitternd vor Wut, zwang ich mich dazu, die Story zu überfliegen. Sie war nur ein paar Seiten lang. »Die Augen der Mumie« war der Titel, und der Autor hieß Robert Bloch. Eine raffinierte kleine Geschichte, aber was- hatte sie mir zu sagen? Ich dachte an den Lovecraft, der viel länger und anscheinend völlig anders geartet war. Was um alles in der Welt konnte das alles bedeuten? Die scheinbare Idiotie der Sache machte mich nur noch wütender.
    Aber es war zu spät, um

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