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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zurück. Das Holz knarrte leise unter seinem Gewicht; er hob träge die rechte Hand, ganz ohne zu merken, wie verführerisch diese einfache Gebärde wirkte, und fuhr sich mit den Fingern durch das lockere schwarze Haar.
    Jäh durchbohrte mich die Erinnerung an die Nacht, da ich ihm das Blut gegeben hatte: Wie er bis zum letzten Augenblick mit mir gestritten und erklärt hatte, ich dürfe es nicht tun, und wie er dann nachgegeben hatte. Ich hatte ihm vorher alles erklärt - als er noch der betrunkene, fiebrige junge Pflanzer auf dem Krankenbett mit dem Rosenkranz am Bettpfosten gewesen war. Aber wie kann man so etwas erklären! Und er war so überzeugt gewesen, daß er mit mir kommen wollte, so sicher, daß das sterbliche Leben nichts mehr für ihn bereithielte - so verbittert und ausgebrannt und so jung!
    Was hatte er damals gewußt? Hatte er je ein Gedicht von Milton gelesen oder eine Sonate von Mozart gehört? Hätte der Name Marcus Aurelius ihm irgend etwas gesagt? Wahrscheinlich hätte er gefunden, das sei ein schicker Name für einen schwarzen Sklaven. Ah, diese wilden, großspurigen Plantagenlords mit ihren Degen und den perlmuttverzierten Pistolen! Sie wußten den Exzeß zu schätzen; das muß ich ihnen im Rückblick lassen.
    Aber er war jetzt weit entfernt von jenen Tagen, nicht wahr? Der Autor von Gespräch mit dem Vampir was für ein lächerlicher Titel! Ich versuchte, mich zu beruhigen. Ich liebte ihn zu sehr, um nicht Geduld zu haben und zu warten, bis er wieder spräche. Ich hatte ihn aus Menschenfleisch und Blut geschaffen, damit er mein übernatürlicher Peiniger werde, nicht wahr?
    »Es läßt sich nicht so leicht ungeschehen machen«, sagte er und riß mich aus meinen Erinnerungen, holte mich zurück in dieses verstaubte Zimmer. Seine Stimme klang absichtsvoll sanft, beinahe versöhnlich oder beschwörend. »So einfach kann es nicht sein. Du kannst nicht mit einem Sterblichen den Körper tauschen. Offen gesagt, ich halte es gar nicht für möglich, aber selbst wenn es ginge…«
    Ich antwortete nicht. Gern hätte ich gesagt: Ja, aber wenn es ginge! Was ist, wenn ich wieder erfahren kann, was es heißt, lebendig zu sein?
    »Und dann - was ist mit deinem eigenen Körper?« fragte er flehentlich; er hielt seinen Zorn und seine Empörung so geschickt im Zaum. »Du kannst doch nicht einfach alle deine Kräfte dieser Kreatur zur Verfügung stellen, diesem Zauberer oder was immer er ist. Die anderen haben mir erzählt, sie könnten die Grenzen deiner Macht nicht einmal ansatzweise kalkulieren. Ah, nein. Es ist eine abscheuliche Vorstellung. Sag mir, woher weiß er, wie er dich findet? Das ist doch das Wichtigste.«
    »Das ist das Unwichtigste«, gab ich zurück. »Aber wenn dieser Mann die Körper tauschen kann, dann kann er seinen ganz offensichtlich verlassen. Er kann als Geist lange genug herumnavigieren, um mich aufzuspüren und zu finden. Angesichts dessen, was ich bin, muß ich für ihn sehr deutlich sichtbar sein, wenn er sich in diesem Zustand befindet. Das ist kein Wunder in sich, verstehst du.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Oder ich lese und höre es. Ich denke, du hast da ein wirklich gefährliches Wesen gefunden. Es ist schlimmer als das, was wir sind.«
    »Inwiefern schlimmer?«
    »Es impliziert einen weiteren verzweifelten Versuch zur Erlangung der Unsterblichkeit, diese Körpertauscherei! Glaubst du denn, dieser Sterbliche, wer immer er ist, hat vor, in diesem oder in irgendeinem anderen Körper alt zu werden und zu sterben?«
    Ich mußte zugeben, daß ich verstand, was er meinte. Dann erzählte ich ihm von der Stimme des Mannes, von ihrem scharfen britischen Akzent und kultivierten Klang, und daß sie mir nicht vorgekommen war wie die Stimme eines jungen Mannes.
    Ihn schauderte. »Wahrscheinlich kommt er von der Talamasca«, sagte er. »Da hat er vermutlich von dir erfahren.«
    »Um von mir zu erfahren, brauchte er sich nur einen Paperback-Roman zu kaufen.«
    »Ah, aber glauben ist etwas anderes, Lestat; er mußte auch glauben, daß es wahr ist.«
    Ich erzählte, daß ich mit David gesprochen hatte. David würde wissen, ob dieser Mann seinem Orden angehörte, aber ich glaubte es nicht. Diese Gelehrten hätten so etwas niemals getan. Und irgend etwas Unheimliches umgab diesen Sterblichen. Die Mitglieder der Talamasca waren beinahe langweilig mit ihrem gesunden Leben. Außerdem kam es darauf jetzt gar nicht an. Ich würde mit dem Mann sprechen und selbst alles herausfinden.
    Er wurde wieder

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