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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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kämpfe noch mit mir, ob ich dir jetzt mein Angebot vortragen sollte, bevor du dich mit Dora einläßt. Ich bin mir nicht sicher, was das beste ist.«
    Er stand jetzt etwa einen Meter von mir entfernt. Ich lümmelte arrogant am Türrahmen, die Arme über der Brust verschränkt. Hinter mir lag die ganze weite, von Kerzengeflacker erfüllte Kapelle.
    Sah ich entsetzt aus? War ich entsetzt? Verging ich gleich vor Entsetzen?
    »Werden Sie mir sagen, wer Sie sind und was Sie wollen, oder erwarten Sie von mir, daß ich frage und alles aus Ihnen herausquetsche?«
    »Du weißt, wer ich bin«, stellte er in der gleichen schlichten, zurückhaltenden Art fest.
    Plötzlich ging mir ein Licht auf. Das Ungewöhnliche an ihm waren die Proportionen seines Gesichtes und seines Körpers - er war die Regelmäßigkeit in Person, sozusagen das vorgegebene Muster der Gattung.
    »Genau«, sagte er lächelnd. »Diese Form habe ich schon immer und überall bevorzugt, weil sie so unauffällig ist.« Immer noch diese gutmütige Stimme. »Weißt du, Bocksfüße und schwarze Flügel - das überwältigt die Sterblichen auf der Stelle.«
    »Ich will, daß Sie, zum Teufel noch mal, hier verschwinden, bevor Dora kommt!« schrie ich, plötzlich total durchgedreht.
    Er drehte sich um sich selbst, schlug sich auf die Schenkel und lachte. »Du bist wirklich unmöglich. Lestat«, sagte er, immer noch mit dieser so wenig eindrucksvollen Stimme. »Deine Freunde haben das richtig erkannt. Du kannst mir nichts befehlen.«
    »Und warum nicht? Was ist, wenn ich Sie rauswerfe?«
    »Möchtest du es versuchen? Soll ich mich verwandeln? Soll ich meine Flügel…«
    Ich vernahm Stimmengewirr, meine Sinne vernebelten sich.
    »Nein!« schrie ich.
    »In Ordnung.«
    Er verwandelte sich nicht weiter. Der Staub legte sich. Das Herz in meiner Brust klopfte, als wolle es jeden Moment herausspringen.
    »Weiß du, was ich machen werde?« sagte er. »Da du ja davon besessen zu sein scheinst, kannst du diese Sache mit Dora durchziehen. Davon werde ich dich kaum abbringen können. Aber wenn du das alles hinter dich gebracht hast, dieses Mädchen, ihre Träume und so weiter, dann können wir uns unterhalten, du und ich.«
    »Und worüber?«
    »Über deine Seele, was sonst?«
    »Ich bin bereit, zur Hölle zu fahren«, log ich ihm mitten ins Gesicht. »Aber ich glaube nicht, daß Sie sind, was Sie vorgeben zu sein. Sie sind ein ähnliches Wesen wie ich, etwas, wofür es keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, aber in Ihnen steckt ein mieser, mickriger Kern, auf dem alles beruht und der alles bis hin zur Beschaffenheit auch noch der letzten schwarzen Feder Ihrer Flügel erklärt.«
    Er runzelte ein wenig die Stirn, aber er war nicht verärgert. »Wir werden nicht in diesem Tempo fortfahren, das versichere ich dir. Ich überlasse dich für den Moment deinen Gedanken an Dora. Sie ist unterwegs hierher; ihr Auto ist gerade in den Hof eingebogen. Also gehe ich jetzt, und zwar mit ganz normalen Schritten, wie ich gekommen bin. Aber laß dir noch einen Rat geben, was uns beide betrifft.«
    »Und der wäre?« verlangte ich zu wissen.
    Er wandte sich von mir ab und ging die Treppe so schnell und leichtfüßig hinab, wie er sie vorher hinaufgekommen war, erst auf dem Treppenabsatz hielt er inne und drehte sich zu mir herum. Da hatte ich schon Doras Geruch aufgenommen.
    »Was für einen Ratschlag?« drängte ich noch einmal.
    »Du solltest Dora ganz und gar in Ruhe lassen. Übergib ihre Angelegenheiten einem weltlichen Anwalt. Sieh zu, daß du hier wegkommst. Wir haben wichtigere Dinge zu besprechen. Das hier lenkt nur ab.«
    Dann war er mit lauten Schritten verschwunden, ich vernahm das Geräusch einer sich öffnenden und wieder zufallenden Tür, er hatte wohl eine Seitentür genommen.
    Unmittelbar danach hörte ich Dora durch die gleiche Tür, die auch ich benutzt hatte, den Haupttrakt des Hauses betreten und die Halle im Erdgeschoß durchqueren. Sie sang, oder besser, sie summte vor sich hin. Sie verströmte den süßlichen Geruch von Blut. Menstruation. Aufreizend verstärkte sich dadurch der schwere Duft dieser jungen Frau, die sich jetzt auf mich zubewegte. Ich glitt zurück in den schattenerfüllten Vorraum der Kapelle, so daß sie mich auf dem Weg zu ihren Zimmern nicht bemerken konnte.
    Über der Schulter trug sie einen Rucksack. Ihr Kleid war aus hübsch geblümter Baumwolle, altmodisch lose geschnitten, mit langen Ärmeln, an denen weiße Spitze aufblitzte. Sie übersprang die eine

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