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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wir dort hineingehen.«
    »Was sollten wir denn auch da drin?«, fragte ich schnell. »Wir suchen nach einer Höhle.«
    »Das wissen sie«, sagte sie. »Die Höhle ist auf der anderen Seite des Tempels. Und der einfachste Weg führt mitten hindurch.«
    »Gott im Himmel«, sagte ich. »Und hier bist du schon einmal durchgegangen?«
    »Ja«, gab sie zurück. »Die Leute aus dem Dorf wollten uns nicht begleiten. Ein paar gingen nicht einmal bis zu dieser Stelle mit. Wir anderen gingen weiter, da hindurch.«
    »Und was, wenn die Decke dieses Ganges über uns zusammenbricht?«, fragte ich.
    »Ich werde ihn durchqueren«, antwortete sie. »Der Tempel besteht aus solidem Kalkstein. Es hat sich nichts verändert, und es wird sich nichts ändern.«
    Sie löste die Taschenlampe vo n ihrem Gürtel und leuchtete in die Öffnung. Trotz einiger bleicher Pflanzen, die sich mühsam vorgekämpft hatten, waren die steinernen Platten des Bodens noch zu erkennen. An den Wänden entdeckte ich prächtige Zeichnungen.
    Der Strahl von Merricks Lampe fiel auf eine Reihe großer, reich geschmückter Gestalten mit dunkler Haut und goldenen Gewändern, die vor einem leuchtend blauen Hintergrund dahinzuschreiten schienen. Und oberhalb davon, dort, wo die Mauern auf eine gewölbten Decke trafen, sah ich einen weiteren Festzug auf tiefdunklem Ochsenblutrot.
    Das ganze Gewölbe schien ungefähr fünfzig Fuß lang zu sein. Am anderen Ende traf Merricks schwacher Lichtstrahl auf spärliches Grünzeug.
    Wieder kamen diese Geister und schwärmten stumm, aber ungeheuer betriebsam um mich herum, versuchten abermals, meine Lider und meine Wangen zu berühren.
    Ich sah, wie Merrick das Gesicht verzog. »Lasst mich in Ruhe!«, flüsterte sie. »Ihr habt keine Macht über mich.« Die Reaktion darauf war ungeheuerlich. Der Dschungel ringsum schien zu erzittern, als ob ein verirrter Windstoß sich aus den Wipfeln zu uns vorgearbeitet hätte, und ein Blätterregen ging über uns nieder. Wieder hörte ich den unheimlichen Ruf der Brüllaffen hoch oben in den Bäumen. Es war, als verliehen sie den Geistern eine Stimme.
    »Komm weiter, David«, sagte Merrick, doch als sie sich zu gehen anschickte, schien etwas Unsichtbares sie aufzuhalten, denn sie machte einen unsicheren Schritt zurück und hob wie zum Schutz die Hand. Ein weiterer Schauer wirbelnder Blätter fiel auf uns herab. »Habt ihr nichts Besseres zu bieten?«, fragte sie laut und tauchte in das gewölbte Bauwerk ein, wo die Lampe heller erstrahlte und eine größere Fläche ausleuchtete, so dass wir rings um uns eine Anzahl von Wandzeichnungen erkennen konnten, wie ich sie lebendiger nie gesehen hatte.
    Auf allen Mauern waren die glanzvollen Teilnehmer eines Prozessionszuges abgebildet, groß und schlank, mit reich verziertem Lendenschurz, Ohrringen und putzübersätem Kopfschmuck. Ich war mir nicht sicher, ob ich den Stil den Maja oder den Ägyptern zuordnen sollte. Etwas dergleichen hatte ich bisher weder in Natura noch in Büchern gesehen. Matthews alter Fotoapparat hatte seinerzeit nur einen winzigen Bruchteil der von Leben sprühenden, minutiösen Darstellungen eingefangen. Der Boden war auf allen Seiten von einem hübschen, vielfältig gemusterten schwarzweißen Band umrandet.
    Unsere vorwärts strebenden Schritte hallten von den Wänden wider, während wir uns weiter und weiter vorwagten. Doch die Luft war unerträglich heiß geworden. Staub stieg mir in die Nase, und am ganzen Körper spürte ich tastende Finger. Tatsächlich merkte ich sogar, wie eine Hand meinen rechten Arm umfasste, und ein gedämpfter Schlag erwischte mich im Gesicht. Ich griff nach Merricks Schulter, sowohl, um sie zur Eile anzutreiben, als auch, damit sie mir nicht verloren ging. Wir befanden uns gerade mitten in dem Durchgang, als sie mit verzerrtem Gesicht stehen blieb, als wäre sie gegen etwas geprallt. »Lasst mich, ihr werdet mich nicht aufhalten!«, flüsterte sie. Und dann stieß sie einen Schwall französischer Worte aus, mit dem sie Honey in the Sunshine bat, ihr einen Weg zu bahnen. Wir hasteten weiter. Ich war mir gar nicht so sicher, ob Honey sich dieser Bitte fügen würde. Mir schien es wahrscheinlicher, dass sie den Tempel über unseren Köpfen zusammenstürzen ließ. Endlich standen wir wieder draußen im Dschungel, und ich hustete, um meine Kehle frei zu bekommen. Ich schaute zurück zu dem Bauwerk. Auf dieser Seite war nicht sehr viel davon zu sehen. Rings um uns spürte ich die Gegenwart der Geister,

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