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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gab es zu! Er konnte kaum genug Beute erjagen, um den Schnaps zu bezahlen. Er war kein Krieger mehr.
    Langsam und geduldig sprach Amadeo auf ihn ein, bis er ihn von seinem Gestammel abgebracht hatte, dann enthüllte er ihm mit sorgsam abgewogenen Worten die Wahrheit. »Ich bin Euer Sohn, Herr. Ich starb an jenem Tag nicht. Ja, sie entführten mich. Aber ich lebe.«
    Noch nie hatte ich erlebt, dass Amadeo sich so sehr in etwas hineinsteigerte, ob Liebe oder Leid, Freude oder Gram. Aber der Mann blieb stur, er war betrunken und wollte von diesem Fremden, der ihn bedrängte, nur eines – mehr Wein. Ich kaufte beim Wirt eine Flasche starken Südwein für diesen Mann, der einfach nicht hören wollte, der diesen vornehmen jungen Mann, der auf ihn einredete, nicht einmal ansah. Ich gab Amadeo die Flasche. Dann schob ich mich an der Wand entlang ein wenig näher, sodass ich sein Gesicht besser erkennen konnte, und ich sah einzig diese zwanghafte Besessenheit: Es musste ihm gelingen, dass diesem Mann ein Licht aufging!
    Geduldig sprach er auf ihn ein, bis seine Worte endlich den Nebel der Trunkenheit durchdrangen, durch den der Mann ihn bisher wahrgenommen hatte.
    »Vater, ich bin hergekommen, damit du es erfährst. Sie nahmen mich damals in ferne Länder mit, bis in die Stadt Venedig, und dann kam ich zu jemandem, der mich reich gemacht hat – Vater, reich! – und der mich etwas lernen ließ. Ich lebe, Herr. Hier bin ich, lebendig, so wie Ihr mich vor Euch seht.« Ach, welch merkwürdige Worte von einem, in dem Das Blut floss! Lebendig? Wie das, Amadeo?
    Aber diese Gedanken behielt ich in meinem finsteren Winkel für mich. Ich hatte in diesem Wiedersehensstück keine Rolle. Als der Mann sich schließlich aufrichtete und seinem Sohn ins Gesicht sah, dämmerte es ihm langsam. Amadeo bebte zwar, schaute seinem Vater jedoch fest in die Augen.
    »Vergiss mich nun, Vater«, bat er, »aber um der Liebe Gottes willen vergiss eines niemals: Ich werde nie in den lehmigen Höhlen des Klosters begraben sein! Nie! Das werde ich nie erleiden müssen, nie, was mir auch sonst widerfahren mag! Und du kannst es dir zugute halten, du hast es verhindert, denn du wolltest es nicht zulassen, du kamst an jenem Tag und verlangtest, dass ich mit dir reite, dass ich mich als dein wahrer Sohn erweise!«
    Was in aller Welt sagte Amadeo da? Was meinte er damit? Er war kurz davor, die blutigen Tränen zu vergießen, die wir nun einmal nicht verstecken können. Aber als er sich von der Bank erheben wollte, hielt der Alte ihn bei der Hand fest. Nun hatte er seinen Sohn endlich erkannt! Andrei nannte er ihn. Er hatte ihn wirklich erkannt!
    »Vater, ich muss gehen«, sagte Amadeo, »aber du darfst nie vergessen, dass du mich heute sahst. Du darfst nie vergessen, was ich gesagt habe – dass du mich vor den finsteren Lehmhöhlen errettet hast. Vater, du bist nicht für meinen Tod verantwortlich, sondern du schenktest mir das Leben. Du kannst aufhören zu trinken, Vater. Sei wieder Ivan, der Jäger. Bring dem Prinzen Wild für seine Tafel. Singe deine Balladen. Und erinnere dich immer daran, dass ich kam, um dir das persönlich zu sagen.«
    »Mein Sohn, bleib doch bei mir«, sagte der Mann. Er lallte nicht mehr trunken und hielt Amadeos Hand fest gepackt. »Wer wird mir glauben, dass ich dich hier sah?«
    Amadeo standen die Tränen in den Augen. Konnte der Mann das Blut sehen?
    Schließlich löste Amadeo sich aus dem Griff, zog einen Handschuh aus, nahm seine Ringe ab und legte sie seinem Vater in die Hand.
    »Nimm die als Erinnerung an mich«, sagte er, »und sag meiner Mutter, dass ich der Mann war, der sie heute Nacht besuchte. Sie erkannte mich nicht. Sag ihr auch, dass das Gold echt ist.«
    »Bleib hier, Andrei«, sagte der Vater, »hier ist deine Heimat. Wer nimmt dich denn dieses Mal mit sich fort?« Das war mehr, als Amadeo ertragen konnte.
    »Ich lebe in Venedig«, antwortete er. »Das ist jetzt meine Heimat. Ich muss fort.«
    Er war so schnell aus der Schenke verschwunden, dass sein Vater ihm nicht mit Blicken hatte folgen können, und ich, der das vorausgesehen hatte, war ihm schon vorangeeilt. Nun standen wir beide im Schneematsch der Gasse.
    »Es ist Zeit, von hier fortzugehen, Herr«, sagte er zu mir. Er hatte seine Handschuhe vergessen, und es herrschte eisige Kälte. »Ach, wäre ich doch nie hergekommen, hätte ihn nie gesehen, hätte ich doch nie erfahren, wie sehr er litt, weil er mich für tot hielt.«
    »Schau«, sagte ich, »da kommt

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