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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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fast in der Betrachtung des Sternenhimmels verlor und da oben über der britischen Insel vor mich hin träumte, ehe ich mich so weit fallen ließ, dass sich das Land perfekt vor dem Hintergrund des Meeres abhob, denn ich wollte die Erde noch nicht wieder unter den Füßen spüren und wie ein plumper Sterblicher über sie hinschreiten. Aber ich hatte in den vergangenen Jahren viele Karten studiert, um herauszufinden, wo East Anglia genau war, und so erblickte ich schon bald eine riesenhafte Burg mit zehn Rundtürmen, die ich für die auf der goldenen Münze eingeprägte hielt, die Raymond Gallant mir vor so langer Zeit gegeben hatte. Die pure Größe der Burg ließ jedoch Zweifel in mir aufkommen, aber ich zwang mich, recht nah dabei an der steilen Seite des Hügels aufzusetzen. Ein übernatürlicher Instinkt sagte mir, dass ich am rechten Ort angelangt war. Während ich meinen Weg zu Fuß fortsetzte, merkte ich, wie außerordentlich kalt es war, eigentlich sogar so kalt wie in den Bergen, die ich verlassen hatte. Ein Teil des Waldes, der einst zweifellos um der Sicherheit der Burg willen gerodet worden war, war wieder emporgesprossen, und ich genoss den kleinen Spaziergang durch diese Landschaft, die mir so gut gefiel.
    Ich trug einen pelzgefütterten Umhang, den ich einem meiner Opfer abgenommen hatte, außerdem hatte ich meine üblichen Waffen dabei – ein kurzes Breitschwert und einen Dolch. Die samtene Tunika, die ich anhatte, war etwas länger, als die Mode es verlangte, aber das war mir gleich. Allerdings waren meine Schuhe neu; ich hatte sie bei einem Genfer Schuhmacher gekauft. Was den Baustil der Burg betraf, so schätzte ich, dass sie etwa fünfhundert Jahre alt sein musste, etwa aus der Zeit Wilhelm des Eroberers. Vermutlich hatte sie einst einen Burggraben und eine Zugbrücke besessen, die jedoch längst schon abgeschafft worden waren, denn vor mir tauchte jetzt ein großes Tor auf, rechts und links von Fackeln flankiert. Als ich sie endlich erreichte, zog ich an dem Glockenstrang und hörte ein lautes, schepperndes Geklingel im Burghof widerhallen.
    Schon nach kurzer Zeit kam jemand, und erst da wurde mir bewusst, dass ich mich untadelig an die herrschenden Gebräuche gehalten hatte. In meiner Hochachtung für diesen gelehrten Orden hatte ich nicht erst draußen gelauscht, um etwas über ihn herauszufinden.
    Und nun fand ich mich, zweifellos mit meinen blauen Augen und der dunklen Haut ein seltsamer Anblick, vor dem Torwächter wieder. Dieser junge Mann konnte nicht älter als siebzehn sein, und er schien sowohl verschlafen als auch uninteressiert, als hätte mein Gelärme mit der Glocke ihn aus dem Schlaf gerissen.
    »Ich suche Lorwich in East Anglia«, sprach ich ihn an. »Bin ich wohl hier richtig?«
    »Ja«, sagte der Junge, während er sich die Augen rieb und gegen die Pforte lehnte. »Darf ich erfahren, was Euch herführt?«
    »Ich suche die Talamasca«, entgegnete ich.
    Der Junge nickte. Er öffnete die Pforte weit, und schon fand ich mich in einem großen Hof wieder, in dem Wagen und Kutschen abgestellt waren. Von den Ställen drangen die Geräusche von Pferden an mein Ohr.
    »Ich suche Raymond Gallant«, erklärte ich. »Ah«, war alles, was er sagte, als hätte ich gerade die erwarteten Zauberworte gesprochen. Und dann führte er mich weiter und schloss hinter mir das große, schwere Tor.
    »Ich bringe Euch in einen Warteraum«, fügte er hinzu. »Ich denke, Raymond Gallant schläft.«
    Aber er lebt, dachte ich. Und das ist die Hauptsache. Hier mussten viele Sterbliche leben, ihr Duft stieg mir in die Nase, zusammen mit dem Aroma kürzlich gekochter Speisen. Außerdem roch ich brennendes Eichenholz, und als ich den Blick hob, sah ich die Kamine, aus denen dünne Rauchfahnen in den Himmel stiegen. Ohne weitere Fragen führte er mich im Licht einer Fackel über eine steinerne Wendeltreppe in einen der Türme hinauf. Immer wieder schaute ich aus den engen Fenstern über das raue Land. Ich konnte die vagen Umrisse einer nahen Stadt sehen, umgeben von einem Flickenteppich aus Feldern. Alles wirkte so friedlich. Endlich steckte der Junge seine Fackel in eine Halterung, und nachdem er eine Kerze an ihr entzündet hatte, stieß er die mit schwerem Schnitzwerk versehenen Türflügel auf, und meinen Augen bot sich ein Raum mit wenigen, aber kostbaren Möbeln. Es war lange her, dass ich üppig geschnitzte Tische und Stühle gesehen hatte oder kostbare Wandbehänge, ganz zu schweigen von reich verzierten

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