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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Geheimnis der unterirdischen Kammer zu offenbaren? Tötete ich etwa alle, die an der Arbeit teilgehabt hatten? Nein, ich nutzte die Gabe der Bezauberung und verwirrte so die Arbeiter, und manchmal wurden ihnen auch einfach die Augen verbunden, darüber konnten weder sie noch die Künstler sich beklagen, denn jeder Einwand wurde mit den süßen Worten »eine Überraschung für Liebende, für ein Brautpaar« weggewischt. Und Geld besorgte den Rest.
    Endlich kam die Nacht, in der ich die Königlichen Eltern in ihre Kapelle schaffen musste. Avicus und Mael eröffneten mir zuvorkommend, dass sie glaubten, ich wolle das allein erledigen. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Wie ein mächtiger christlicher Todesengel trug ich erst den einen, dann den anderen Sarkophag hinab in die prachtvolle Kapelle und setzte sie nebeneinander ab. Ich kniete nieder, nahm Akasha in meine Arme und entfernte ihre Leinenbinden als Erstes. Ihre Augen waren geschlossen. Dann öffnete sie sie ganz unvermittelt, und ihr Blick ging mit dem leeren, einfältigen Ausdruck, den ich schon kannte, an mir vorbei.
    Ich glaube, ich fühlte eine seltsame, dämpfende Enttäuschung. Aber um das zu verbergen, flüsterte ich leise Gebete für sie, während ich das Leinen beiseite legte und sie, meine stumme Braut, zu ihrem Thron trug, wo ich sie niedersetzte. Da ruhte sie nun, ihre Kleider zerknittert und unvollständig, wie stets blind für alles, während ich Enkils Bandagen entfernte. Auch bei ihm kam wieder der eigenartige Moment, als er die Augen aufschlug. Ich wagte nicht, laut zu ihm zu sprechen. Ich hob ihn auf, fand, dass sein Körper biegsamer, sogar beinahe schon leicht zu nennen war, und ich setzte ihn neben seine Königin auf den Thron.
    Es dauerte mehrere Nächte, bis ich die Ausstattung der beiden vervollständigen konnte, aber es sollten genau die feinen ägyptischen Gewänder sein, wie ich sie in Erinnerung hatte, und ich mühte mich, neuen, außergewöhnlichen Schmuck für sie ausfindig zu machen. Konstantinopel quoll über von solchen Luxusartikeln und den Kunsthandwerkern, die damit handelten. Um dies alles kümmerte ich mich allein, ich empfand es nicht als Mühe, und ich sprach dabei die ganze Zeit über mit leiser, respektvoller Stimme Gebete. Zum Schluss war die Kapelle sogar stattlicher als die erste damals in Antiochia und viel, viel schöner als die vor den Toren Roms. Ich stellte die gewohnten flachen Becken an ihren Platz, in denen ich Weihrauch verbrennen würde, und füllte die zahllosen Hängelampen mit Duftöl.
    Erst als all das getan war, befasste ich mich wieder mit unserer neuen Stadt und damit, wie sich die Zukunft hier gestalten würde, und mit der Frage, ob Akasha und Enkil hier wirklich sicher wären.
    Ich war sehr unruhig. Mir wurde klar, dass ich die Stadt bisher nicht einmal richtig kannte. Das alles beschäftigte mich sehr. Ich hätte gern die Besichtigung der vielen Kirchen fortgesetzt, mich an den Schönheiten der Stadt erfreut. Aber ich wusste nicht, ob wir hier die einzigen Vampire waren.
    Es schien mir äußerst zweifelhaft. Immerhin gab es noch andere Bluttrinker, warum sollten sie nicht in die schönste Stadt der Welt kommen wollen?
    Was nun das griechische Flair Konstantinopels anging – ich mochte es nicht! Ich schäme mich, es zu sagen, aber so war es. Mir gefiel nicht, dass die Einwohner Griechisch anstatt Latein sprachen, obwohl ich natürlich das Griechische sehr gut beherrschte. Und mir gefielen die vielen christlichen Klöster mit ihrem abgründigen Mystizismus nicht, der eher die orientalische Natur als die westliche spiegelte.
    Alle Kunstwerke, die ich sah, waren sehr beeindruckend, aber sie hatten jede Verbindung zur klassischen Kunst Griechenlands und Roms verloren.
    Die neu geschaffenen Statuen stellten den Menschen als grob gebaut und bäurisch-plump dar, mit Rundschädel, hervorquellenden Augen und ausdruckslosem Gesicht. Und die Ikonen, die heiligen Bildnisse, die nicht mehr wegzudenken waren, zeigten stark stilisierte, düster blickende Gesichter. Selbst die herrlichen Mosaiken – Justinian und Theodora in ihren langen Gewändern wie schwebend vor der Kirchenwand – waren steif und wie aus einem Traumbild, überhaupt nicht dem klassischen Stil entsprechend – vielleicht konnte man sie schön finden, aber nur an Maßstäben gemessen, die mir fremd waren. Dies war eine prächtige Stadt, aber sie war nichts für mich. Für mich hatte der gigantische Palast mit seinen Eunuchen und Sklaven

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