Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Wichtigkeit beschäftigt war; doch zumindest sah sich der junge Mann dazu gezwungen, plausible Erklärungen für sein derzeitiges Verhalten abzugeben.
Ward gehörte dem blassen, teilnahmslosen Typus an, der nicht leicht errötete, und er schien bereitwillig über seine Interessen und sein Suchen reden zu wollen, allerdings ohne ihr Ziel zu offenbaren. Er behauptete, die Dokumente seines Urahnen enthielten einige bemerkenswerte frühwissenschaftliche Erkenntnisse, größtenteils in einer Geheimschrift festgehalten, die in ihrem Ausmaß anscheinend nur mit den Entdeckungen Bacons zu vergleichen seien, ja diese vielleicht sogar übertrafen. Sie blieben allerdings bedeutungslos, sofern man sie nicht mit einer Art der geistigen Arbeit in Einklang brachte, die heute als völlig veraltet galt, weshalb ihre unverzügliche Präsentation in einer Welt, die an die moderne Wissenschaft gebunden sei, sie all ihren Eindrucks und dramatischer Bedeutung entkleiden würde. Um ihren angemessenen Platz in der Geistesgeschichte der Menschheit einnehmen zu können, müssten sie zuerst von jemandem korreliert werden, der mit dem Hintergrund vertraut sei, vor dem sie entstanden waren. Dieser Aufgabe der Korrelation widmete er sich derzeit. Er wolle sich so schnell wie möglich die vergessenen alten Künste aneignen, über die ein wirklicher Deuter der Daten über Curwen verfügen müsse, und hoffe darauf, zu gegebener Zeit eine umfassende Darstellung zu geben, die für die Menschheit und die Geisteswelt von größtem Interesse sei. Nicht einmal Einstein, so verkündete er, könnte die derzeitige Vorstellung, die wir von den Dingen hätten, derart revolutionieren.
Was seine Nachforschungen auf den Friedhöfen betraf, deren Zweck er offen zugab, obwohl er keine Einzelheiten über seine Fortschritte nannte, so vermute er, dass sich auf dem lädierten Grabstein von Joseph Curwen bestimmte mystische Zeichen befänden – gemäß den Angaben in seinem Testament gemeißelt und ignoranterweise von denen übersehen, die den Namen ausgelöscht hatten –, die eine wesentliche Rolle bei der endgültigen Lösung des rätselhaften Systems spielten. Curwen, so glaubte Ward, habe sein Geheimnis sorgsam hüten wollen und die notwendigen Angaben dazu in übermäßig eigenartiger Weise verstreut.
Als Dr. Willett darum bat, einen Blick auf die geheimnisvollen Dokumente werfen zu dürfen, zeigte Ward sich sehr verhalten und versuchte zuerst, ihn mit Dingen wie der Kopie der Geheimschrift von Hutchinson und den Formeln und Diagrammen von Orne zufriedenzustellen. Zu guter Letzt zeigte er ihm dann doch einige der Curwen-Funde – Tagebuch und Aufzeichnungen , die Geheimschrift (dessen Titel ebenfalls verschlüsselt war) und die mit Formeln angefüllte Botschaft An Ihn, der dereynst kommen wird etc. – und erlaubte dem Arzt einen Blick auf einige Buchseiten, solange sie mit obskuren Schriftzeichen bedeckt waren.
Zudem schlug er das Tagebuch auf einer Seite auf, die er aufgrund ihrer Harmlosigkeit sorgsam ausgewählt hatte, und gab Willett einen Einblick in Curwens übliche Handschrift im Englischen. Der Arzt besah sich die schlecht leserlichen und wirren Buchstaben sehr genau, und er bemerkte, dass sowohl Schrift als auch Stil stark an das 17. Jahrhundert erinnerten, obwohl der Autor bis spät ins 18. Jahrhundert hinein gelebt hatte. Schnell war er überzeugt, dass das Dokument authentisch war. Der Text selbst war vergleichsweise belanglos, und Willett erinnerte sich nur an ein Bruchstück:
»Mittw. 16. Okt. 1754. Meine Schaluppe, die Wahefal, kam heut’ aus London mit XX neuen Männern aus Westindien, Spaniern aus Martineco und Niederländern aus Surinam. Daß die Niederländer desertieren, ist nicht undenkbar, da sie über dies Unterfangen übel Kund’ vernommen, doch möcht’ ich sie zu halten suchen. Für Mr. Knight Dexter vom Wirtshaus Bucht und Buch 120 Ballen Kamelott, 100 Ballen div. Kamelott-Imitat, 100 Ballen Schalaun, 20 Ballen blauer Düffel, 50 Ballen Kalamank, je 300 Ballen Shendsoy- und Humhum-Tuch. Für Mr. Green Zum Elephanten 50 Gallonen-Kessel, 20 Bratpfannen, 15 Siede-Kessel, 10 Paar Kohlenzangen. Für Mr. Perrigo 1 Satz Pfrieme. Für Mr. Nightingale 50 Ries vorzüglichstes Propatria. Letzte Nacht drey Mal das SABAOTH recitiret, doch nichts erschien. Muß weytere Kund von Mr. H. in Transsylvanien erhalten, gleichwohl er schwer zu erreychen ist; sonderlich, daß er nicht zu sagen vermag, wie das zu gebrauchen sey, was er seyt hundert
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