Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Geschrieben hatte sie, wie Armitage sich erinnerte, ein Kind von dreieinhalb Jahren, das aussah wie ein Bursche von zwölf oder dreizehn. Der Text lautete wie folgt:
Heute das Aklo für den Sabaoth gelernt, mocht es aber nicht, weil vom Hügel geantwortet wird und nicht aus der Luft. Das im Obergeschoss ist mir weiter voraus, als ich gedacht hab, und es hat sicher nicht viel Erdenhirn. Hab Jack, den Collie von Elam Hutchins, erschossen, als er mich beißen wollte, und Elam sagt, er würd mich töten, wenn er könnte. Glaub, er wird’s nicht tun. Großvater hat mich letzte Nacht die Dho-Formel immer wieder aufsagen lassen, und ich glaub, ich hab die innere Stadt bei den zwei Magnetpolen gesehen. Ich werd zu den Polen gehn, wenn die Erde erledigt ist, sollt ich mit der Dho-Hna-Formel nicht durchkommen. Die aus der Luft haben mir am Sabbat gesagt, dass es noch Jahre dauern wird, bis ich die Erde bezwingen kann, und ich nehm an, Großvater ist dann schon tot, und so muss ich all die Winkel der Ebenen und alle Formeln zwischen dem Yr und dem Nhhngr lernen. Die von draußen werden helfen, aber sie können ohne menschliches Blut nicht Gestalt annehmen. Das im Obergeschoss sieht aus, als wär es geeignet. Ich kann es ein wenig sehen, wenn ich das voorische Zeichen mach oder das Pulver von Ibn Ghazi darüber blase; es ähnelt denen in der Walpurgisnacht auf dem Hügel. Das andere Gesicht wird mit der Zeit wohl weggehen. Ich frag mich, wie ich aussehen werde, wenn die Erde gereinigt ist und es keine irdischen Wesen mehr darauf gibt. Er, der mit dem Aklo-Sabaoth kam, sagte, ich könnte verwandelt werden, da draußen noch viel Arbeit wartet.
Der Morgen fand Dr. Armitage in kaltem Angstschweiß gebadet, im Wahn überwacher Konzentration. Er war die ganze Nacht über nicht von dem Manuskript gewichen, sondern hatte am Tisch unter dem elektrischen Licht gesessen und mit zitternder Hand eine Seite nach der andern umgeblättert, so rasch er den kryptischen Text zu entziffern vermochte. Nervös hatte er seine Frau angerufen, um ihr zu sagen, dass er nicht nach Hause käme; und als sie ihm von daheim das Frühstück brachte, konnte er kaum einen Happen zu sich nehmen. Den ganzen Tag hindurch las er weiter, musste aber dann und wann entnervt die Lektüre unterbrechen, wenn die erneute Anwendung des komplizierten Übersetzungsschlüssels notwendig wurde. Mittagessen und Abendbrot wurden ihm gebracht, doch er aß so gut wie nichts. In der folgenden Nacht döste er auf seinem Stuhl ein, erwachte aber bald aus einem Gewirr übler Träume, die fast so abscheulich waren wie die Wahrheit, die er aufgedeckt hatte, die Gefahr, die der Menschheit drohte.
Am Morgen des 4. September bestanden Professor Rice und Dr. Morgan auf einer kurzen Unterredung; zitternd und aschfahl verließen sie danach das Studierzimmer. An jenem Abend ging Armitage zu Bett, schlief jedoch nur unruhig. Am folgendem Tag, einem Mittwoch, saß er wieder über dem Manuskript und machte sich umfangreiche Notizen zu dem bereits entzifferten Text und den Passagen, die er noch in Arbeit hatte. In den frühen Morgenstunden schlief er ein wenig in dem Lehnstuhl in seinem Büro, beschäftigte sich aber noch vor Sonnenaufgang wieder mit dem Manuskript. Vormittags kam Dr. Hartwell, sein Arzt, vorbei und drängte ihn, endlich mit der Arbeit aufzuhören. Armitage lehnte ab und gab zu verstehen, dass es für ihn von größter Bedeutung sei, die Lektüre des Tagebuches fortzusetzen; zu gegebener Zeit würde er alles erklären. An jenem Abend, gerade als die Dämmerung anbrach, beendete er seine fürchterliche Beschäftigung und sank erschöpft zurück. Seine Frau, die ihm das Abendessen brachte, fand ihn in einem halb komatösen Zustand vor; doch war er noch so weit bei klarem Bewusstsein, um sie mit einem gellenden Schrei davon abzuhalten, sich seine Unterlagen näher anzusehen. Schwach erhob er sich, sammelte die bekritzelten Blätter ein und versiegelte sie in einem großen Umschlag, den er unverzüglich in der Innentasche seines Mantels verstaute. Er war noch kräftig genug, um nach Hause zu gelangen, benötigte jedoch eindeutig ärztliche Hilfe, sodass Dr. Hartwell schnellstens herbeigerufen wurde. Als der Arzt ihn zu Bett brachte, konnte er nur wieder und wieder murmeln: » Aber was in Gottes Namen können wir tun? «
Dr. Armitage schlief, fantasierte jedoch am nächsten Tag zeitweise. Er gab Hartwell keine Erklärung, sprach in ruhigeren Momenten indes von der unumgänglichen
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