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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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die Mauer und den unsichtbaren Abhang hinweg auf die schimmernden Dächer und Türme, die sich dort ausbreiten mussten. Einmal stieg ich die Treppe zur Dachstube hoch, als Zann im Theater weilte, doch die Tür war verschlossen.
    Mir gelang es allerdings, das nächtliche Spiel des stummen Alten zu belauschen. Zu Anfang stieg ich auf Zehenspitzen hinauf zu meinem alten Zimmer im fünften Stock, dann wurde ich kühner und erklomm die knarrende Treppe zur Dachstube. Dort im engen Korridor vor der verriegelten Tür mit dem abgedeckten Schlüsselloch hörte ich oft Laute, die mich mit einem unerklärlichen Grauen erfüllten – dem Grauen unbestimmter Wunder und brütender Geheimnisse. Nicht, dass die Töne scheußlich gewesen wären, denn das waren sie nicht; doch ihre Schwingungen deuteten etwas an, das nicht von dieser Welt stammte. Hin und wieder erreichten sie eine symphonische Qualität, für die schwerlich ein einzelner Musiker verantwortlich sein konnte. Gewiss war nur, dass es sich bei Erich Zann um ein Genie voll ungezähmter Kraft handelte. Im Laufe der Wochen wurde sein Spiel immer wilder, während der alte Musiker immer abgezehrter wirkte, dass es einen erbarmen musste. Er weigerte sich nun beharrlich, mich einzulassen, und wich mir aus, wenn wir einander auf der Treppe begegneten.
    Dann, als ich eines Nachts an der Türe horchte, vernahm ich, wie das Kreischen der Violine zu einer chaotischen, babylonischen Klangverwirrung anschwoll, zu einem Pandämonium, das mich an meiner ohnehin erschütterten geistigen Gesundheit hätte zweifeln lassen, wäre durch die verschlossene Tür nicht der elende Beweis gedrungen, dass das Grauen allzu wirklich war – der scheußliche, unartikulierte Schrei, den einzig ein Stummer von sich geben kann und der nur in Augenblicken der entsetzlichsten Furcht oder Pein zu hören ist. Ich klopfte wiederholt an die Tür, erhielt aber keine Antwort. Danach wartete ich im finsteren Korridor, zitternd vor Kälte und Angst, bis ich den schwachen Versuch des armen Musikers hörte, sich an einem Stuhl vom Boden hochzuziehen. Ich glaubte, er habe nach einem Ohnmachtsanfall gerade das Bewusstsein wiedererlangt, und klopfte erneut, wobei ich meinen Namen rief, um Zann zu beruhigen. Ich hörte, wie Zann zum Fenster schlurfte, den Laden schloss und den Vorhang zuzog; dann stolperte er zur Tür, die er zögerlich entriegelte, um mich einzulassen. Dieses Mal schien seine Freude, mich zu sehen, aufrichtig zu sein, denn sein verzerrtes Gesicht strahlte vor Erleichterung, während er sich an meinen Mantel klammerte, wie ein Kind sich am Rock seiner Mutter festhält.
    Der jämmerlich zitternde Alte drängte mich, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, und ließ sich auf einen anderen fallen, neben dem seine Violine und der Bogen unachtsam auf dem Boden lagen. Eine Zeit lang saß er untätig da, nickte merkwürdig, erweckte aber den paradoxen Anschein, angestrengt und angsterfüllt auf etwas zu lauschen. Dann schien er befriedigt zu sein und ging zum Tisch, wo er eine kurze Notiz schrieb, sie mir gab und wieder an den Tisch zurückkehrte, wo er mit einer raschen und unablässigen Niederschrift begann. Die Notiz ersuchte mich, im Namen der Barmherzigkeit – oder um meiner Neugier willen – hier zu warten, während er auf Deutsch einen vollständigen Bericht über all die Wunder und Schrecken verfasste, die ihn heimsuchten. Ich wartete, und der Bleistift des Stummen flog übers Papier.
    Es war vielleicht eine Stunde später, während ich noch immer wartete und die fieberhaft beschrifteten Blätter des alten Musikers sich immer höher anhäuften, als ich sah, dass Zann wie vom Schlag gerührt zusammenzuckte. Unzweifelhaft sah er zum Fenster hin und lauschte zitternd. Dann bildete ich mir ein, selbst einen Klang zu hören; doch war es kein entsetzliches Geräusch, sondern vielmehr eine außerordentlich tief tönende, unendlich ferne Melodie, die aus einem der Nachbarhäuser oder von jenseits der hohen Mauer zu kommen schien. Der Effekt auf Zann war grauenhaft, denn er ließ den Bleistift fallen, erhob sich ruckartig, ergriff seine Violine und ging daran, die Stille der Nacht mit der wilden Musik zu zerreißen, die ich bislang nur gehört hatte, wenn ich an der verriegelten Türe lauschte.
    Es wäre sinnlos, Erich Zanns Spiel in jener schrecklichen Nacht beschreiben zu wollen. Es war entsetzlicher als alles, was ich je zufällig gehört hatte, weil ich nun den Ausdruck auf seinem Gesicht sehen und erkennen

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