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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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noch in ›The Teuton´s Battle-Song‹ (ebenfalls 1914). Schon Blair war von dem archaischen Gedicht beeindruckt. Er schreibt: »The Poem concludes with sentiments of the highest bravery and contempt of death. (…) This is such poetry as we might expect from a barbarous nation. It breathes a most ferocious spirit. It is wild, harsh, and irregular; but at the same time animated and strong; the style, in the original, full of inversions, and, as we learn of some of Olaus´s notes, highly metaphorical and figured.« Genau das waren die Eigenschaften, die Lovecraft offenbar beeindruckt hatten, sodass er zu einer Nachdichtung inspiriert wurde.
    Schicksalsträchtig für die moderne Horrormythologie wurde ein Missverständnis Lovecrafts in Hinsicht auf Blairs Text. Lovecraft verstand Blair nämlich so, dass Olaus Wormius ein Autor des 13. Jahrhunderts gewesen sei, was natürlich nicht stimmt (Blair behauptet das vielmehr auch nur – ganz richtig – von Saxo Grammaticus, 1140 bis etwa 1220). Lovecraft hatte in diesen frühen Jahren keinen Zugang zu einer wirklichen Forschungsbibliothek (später las er viel in der New York Public Library, kam aber offenbar nie auf die Idee, sich genauer über Ole Worm zu informieren). Lovecraft hatte also nicht viel mehr als den Namen: Aber dieser inspirierte ihn, den Dänen in die entstehende Mythologie des Necronomicons einzubauen, und damit beginnt seine überaus eigentümliche Karriere bei den modernen Fortschreibern Lovecrafts. Lovecraft wusste von Wormius mit einiger Sicherheit ausschließlich über Blairs A Critical Dissertation on the Poems of Ossian. Eine Beschäftigung des Wormius mit arabischer Magie ist nicht bezeugt und sachlich unwahrscheinlich. Aber das ganze Necronomicon ist ja eine freie Erfindung Lovecrafts. Nicht verwechselt werden darf Olaus Wormius übrigens mit Olaus Magnus (1490-1557), dem großen Geschichtsschreiber und Kartografen, dem wir die erste wissenschaftlich brauchbare Karte Nordeuropas und eine faszinierende Schilderung dieser Länder verdanken (u. a. mit eingehenden Schilderungen des lappischen Schamanismus, die Lovecraft entzückt hätten – wenn er sie gekannt hätte).
    Auch trotz solcher Irrtümer ist die ›History and Chronology of the Necronomicon‹ voll pikturesker Details. Abdul Alhazred war nur ein »indifferent Muslim« – jeder Kenner islamischer Kultur denkt da an die Sabier und andere kleine religiöse Gruppen im Schatten der islamischen Welt, welche oftmals das Erbe der alten heidnischen Religionen weitergetragen haben, sich im täglichen Leben aber vielfach als Muslime ausgeben mussten.
    Man beachte auch wie so oft die Vernetzung mit Lovecrafts eigenen Geschichten: Ein griechisches Exemplar des Necronomicons befindet sich im Besitz der Familie Pickman – Richard Upton war also nicht das erste wunderliche Mitglied dieser alten neuenglischen Familie (s. ›Pickman’s Model‹)? Auch zu anderen Autoren unheimlicher Literatur werden Bezüge geschaffen, so zu Robert W. Chambers (1865–1933), dessen The King in Yellow (New York 1895 mit 9 Erzählungen in der Erstausgabe; spätere Ausgaben sind oft gekürzt) explizit genannt wird, von dessen späteren Werken Lovecraft aber meist enttäuscht war.
    Als verbotenes Buch steht das Necronomicon sozusagen als Chiffre für »verbotenes Wissen« an und für sich. Darüber lohnt es sich, einen Augenblick nachzudenken. Ein »Verbot« von Wissen ist denkbar als Akt einer Herrschaftselite, welche diese Herrschaft nicht angetastet wissen will, aber auch als Ausgrenzungsaktion eines bewussten Herrschaftswissens, welches die Stabilität des Bewusstseins dadurch zu erhalten versucht, dass es alles Gefährdende verbietet. Ausgegrenztes, verbotenes Wissen kann sehr verschiedene Inhalte haben. Ehemals waren diese sexueller, magischer oder religiöser Art, daneben immer schon technologischer (die alten Philister hüteten das Geheimnis der Eisenherstellung, als die Israeliten noch mit Bronzewaffen kämpften). Das erste »verbotene Wissen«, dem wir (oder zumindest vergangene Generationen) im Allgemeinen im Leben, d. h. in der Kindheit, begegnen, ist sexueller Art. Das ganze Motivfeld des »verbotenen Wissens« nährt seine Dynamik sehr nachhaltig aus solchen libidinösen Wurzeln. Merkwürdigerweise verliert die Idee des verbotenen Wissens aber auch nicht ihre Faszination, wenn wir im Großen und Ganzen alles wissen, was wir über Sex wissen wollen. Oder geht es hier doch um etwas noch Verborgeneres? Einen

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