Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
ihm. Er fand ihre Nähe beruhigend.
»Was haben diese Wesen eigentlich mit dir angestellt?«, fragte er leise. Sie antwortete zunächst nicht und er musterte sie besorgt. Natürlich war sie angespannt und müde, aber er bemerkte zugleich einen abwesenden Blick in ihren Augen, als könnte nichts von dem, was er sagte, sie erreichen.
»Sie haben mich nach unten gedrückt«, antwortete Elsa endlich mit einem Schauder. »Sie hüllten mich ganz und gar ein und riefen … Aber jetzt geht es mir besser. Zum Glück ist Eolande gerade noch rechtzeitig gekommen.«
»Wir hatten Glück«, stimmte Adrian zu. »Was meinst du tut sie hier im Berg?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Elsa. Sie klang abwesend und betrachtete wieder ihre rechte Hand.
»Und das Schwert …«, fuhr Adrian fort, ohne zu wissen, was er eigentlich fragen wollte. Bestimmt es über dich? Wozu wird es dich noch anstiften? »Wie geht es ihm?«, sagte er lahm.
Elsa sah ihn misstrauisch an. »Wie soll es ihm gehen? Gut.« Wieder betrachtete sie ihre Hand und murmelte: »Ich weiß jetzt, wie ich es führen muss.«
Der Gang führte leicht aufwärts, machte Windungen und verzweigte sich, und ein- oder zweimal hätten sie Eolandes Fackel fast aus den Augen verloren. Adrian versuchte zu bestimmen, wie tief sie bereits in den Berg eingedrungen waren. Offenbar befanden sie sich noch unter dem Gletscher. Wände und Boden waren von Eis bedeckt und es schien nicht ganz so dunkel zu sein wie am Anfang – vielleicht hatten sich aber auch nur seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Er rutschte auf dem Eis aus und hielt sich an der Wand und an Elsa fest, um nicht zu stürzen.
Plötzlich wurde es vor ihnen heller. Eolande führte sie in eine Kammer, deren Dach und Wände aus Eis bestanden, durch das von draußen das erste Tageslicht schien.
»Diese Kammer wurde vor vielen Jahren in den Gletscher gehauen«, sagte Eolande. »Wir können hier Pause machen.«
Adrian sah, dass das Zimmer eingerichtet war. Auf dem Boden lag eine Strohmatte, neben dem Eingang war eine breite Bank aus dem Fels gehauen und auf einer großen hölzernen Kiste standen – in dieser unwirtlichen Umgebung ein seltsamer Anblick – ein Becher und ein Teller, beides meisterhaft aus Bronze gearbeitet und mit gewundenen Drachen und elegant gebogenen Zweigen verziert. Die Qualität der Arbeiten stand dem Geschirr aus der Burg seines Vaters in nichts nach und die Drachen und Zweige kamen ihm seltsam bekannt vor.
»Sieh mal, Elsa!«, flüsterte er und streckte die Hand aus. »War Cluarans Harfe nicht mit einem ähnlichen Muster verziert?«
Eolande hatte ihn gehört. »Cluaran?«, wiederholte sie. Sie schien den Namen zu kennen. Sie nahm den Becher und drehte ihn hin und her. »Mein Mann hat ihn für mich gemacht«, sagte sie und fuhr mit einem schmalen Finger die Gravur entlang.
»Kennt Ihr Cluaran?«, fragte Adrian. Der Sänger war auf dem Weg nach Venta Bulgarum ein anstrengender und zuweilen lästiger Gefährte gewesen, doch hatte er sich zuletzt als guter Freund erwiesen, und an diesem kalten Ort an ihn zu denken, wärmte Adrian das Herz.
Er wollte Eolande schon erzählen, dass er Cluaran vor wenigen Tagen gesehen hatte, und das Neueste von ihm berichten, doch sie sagte nur: »Ja, den kenne ich«, in einem Ton, der keine weiteren Fragen zuließ. Mit einem Seufzer stellte sie den Becher zur Seite und kniete hin, um die Kiste zu öffnen.
Auf einmal spürte Adrian die Müdigkeit in seinen Beinen und sank neben Fritha und Elsa auf die steinerne Bank. Fritha zitterte immer noch. Sie saß kerzengerade auf der vordersten Kante, als könne sie sich unmöglich entspannen. Adrian drückte ihren Arm. »Ich glaube, hier sind wir sicher«, flüsterte er. »Jetzt, wo Eolande bei uns ist, werden die Geister uns nichts tun.«
Fritha lächelte dankbar und setzte sich ein wenig zurück. Doch Adrian wusste selbst nicht, ob er seinen tröstenden Worten glauben sollte. Eolande behandelte sie freundlich und schien Cluaran zu kennen, doch viel mehr wussten sie nicht über sie. Inwiefern würde – oder konnte – sie sie beschützen?
Eolande holte einen Beutel aus grobem Sackleinen aus der Truhe und schüttete den Inhalt, eine Art Dörrobst, auf den Teller. Adrian wollte ihr danken, doch sie wandte sich mit einem Lächeln ab. Adrian knurrte der Magen, Fritha dagegen schien zu aufgeregt zum Essen zu sein, und Elsa starrte wieder auf ihre Hand und war mit Gedanken beschäftigt, von denen Adrian nichts wusste.
»Hier –
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