Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
Sonne. Trotz der Entfernung spürte Elsa die Tücke seines mit schwarzen Schlieren verhangenen Auges. Er darf die anderen nicht sehen! ,betete sie, und zu ihrer unendlichen Erleichterung flog der Drache über Adrian und seine Gefährten hinweg, ohne langsamer zu werden.
Doch dann richtete er sein Auge auf Elsa. Er legte die Schwingen an und näherte sich ihr im Sturzflug.
Elsa kletterte hastig ein Stück tiefer, bis sie auf einem Felsen stand, und hob das leuchtende Schwert mit beiden Händen über den Kopf. Kurz bevor der Drache sie erreicht hatte, stieß sie es mit aller Kraft nach oben. Sie spürte, wie seine Spitze die Schuppen streifte.
Im nächsten Augenblick bohrte sich etwas in den Rücken ihrer Felljacke und sie wurde in die Luft gerissen. Eine Kralle am herunterhängenden Vorderbein des Drachen musste sich in ihren Kleidern verhakt haben. Sie schrie und fuchtelte mit dem Schwert und wurde in einem weiten Bogen durch die Luft gewirbelt. Der andere Vorderfuß des Drachen näherte sich ihr mit ausgefahrenen Krallen und packte sie um die Hüften. Ihre Arme waren zwar noch frei, doch konnte sie damit nichts ausrichten. Das Schwert leuchtete wie eine Sturmlaterne.
Noch einmal näherte sich der Drache der Stelle, an der Eolande wie angewurzelt stand, und packte auch sie mit seinem anderen Fuß. Jedes Leben wich aus Eolandes Körper, als sei sie bewusstlos geworden. Elsa wand sich in den Krallen und versuchte verzweifelt, den Drachen mit dem Schwert zu treffen, doch er hielt sie unerbittlich fest. Sie hörte ihn triumphierend brüllen – es klang wie Donnergrollen –, dann stürzte er sich mit ihr in die Tiefe, zum Fuß des Berges.
15. KAPITEL
Ich sollte Lokis Macht bald spüren. Der Schnee schmolz von den Bergen, und die verkohlten Narben, die Lokis Feuer hinterlassen hatten, kamen zum Vorschein. Nur die Gletscher blieben. Doch dann standen die Männer, die wir zusammengerufen hatten, um Loki zu fesseln, plötzlich vor einer ganz anderen Gefahr: Das Gebirge um den Eigg Loki bebte, und von den Gletschern kamen Drachen und griffen sie an. Die Drachen waren weiß und verdeckten den Himmel mit ihren Flügeln.
»Loki hat sie aus dem Eis gerufen«, sagten die Fay. Die Ungeheuer konnten mit ihren Zähnen zubeißen und mit ihren Klauen blutige Wunden schlagen. Ihr gefrorener Atem warf sogar die Krieger des Eisvolkes zu Boden und weder deren Pfeile noch die Äxte der Steinmenschen noch die Zaubersprüche der Fay konnten sie bezwingen.
Adrian rutschte wieder mit dem Fuß ab und hielt sich grimmig fest. Das Seil, das ihn mit Fritha verband, straffte sich und Fritha sah besorgt zu ihm hinunter. Er lächelte und bedeutete ihr, sie solle weitergehen. Dann suchte er das Eis nach Vorsprüngen und Vertiefungen ab, an denen er sich festhalten konnte. Dabei vermied er es sorgfältig, nach unten zu blicken.
Fritha war dafür gewesen, das Eis hinaufzusteigen, und Cathbar hatte ihr, sehr zu Adrians Überraschung, zugestimmt. Adrian hatte bergab gehen wollen. »Die Frau wollte Elsa doch zu einer Höhle weiter unten bringen – und überhaupt, wie sollen wir hier hochkommen?« Er hatte mit dem Arm auf die Eisfläche über ihnen gedeutete.
Doch Fritha hatte den Kopf geschüttelt. Der Spalt werde nach unten immer breiter, hatte sie erklärt, und sei so lang, dass sie das Ende gar nicht sehen könnten. Dagegen werde er über ihnen schon nach hundert Metern ganz schmal. Fritha war überzeugt, dass sie einen Weg hinauf finden würde, wenn sie am Sims ein Stück zurückgingen. Sie zog ein Seil aus ihrem Bündel und band es sich und Adrian um die Hüften, außerdem einen an einer Lederschlaufe hängenden eisernen Dorn und eine Tasche mit hölzernen Pflöcken. Beides hängte sie sich an den Gürtel. Sie gingen ein Stück zurück, dann zeigte Fritha nach oben. Adrian konnte keinen Weg erkennen, doch Cathbar begutachtete die Stelle ausführlich und nickte schließlich. Also hatte Adrian sich ihnen angeschlossen. Die beiden kleinen Gestalten, die sich auf der anderen Seite der Spalte über den Gletscher entfernten, waren kaum noch zu sehen.
»Halte dich hier fest, gleich neben meinem Fuß!«, rief Fritha zu ihm hinunter und erwiderte sein Lächeln. »Du kannst gut klettern.« Sie wandte sich wieder dem Eis über ihr zu und kratzte mit dem eisernen Dorn sorgfältig Vertiefungen für Hände und Füße hinein. Adrian hielt sich an der Stelle fest, die sie ihm gezeigt hatte, und wünschte, er könne ihr glauben. Unter ihm kletterte
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