Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
getötet. Erlingr stieß Drohungen gegen ihn aus, doch da stellte er sich vor alle hin, streckte den Arm aus und rief den Namen Ioneth – und aus seiner Hand fuhr ein gleißender Strahl. Da glaubten sie ihm. Kurz darauf brach er allein auf, um gegen Loki zu kämpfen. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
Schweigend setzten sie den Weg fort. Elsa hätte Eolande gern ihr Mitgefühl ausgedrückt, doch fielen ihr keine passenden Worte ein. Außerdem ging Eolande nun wieder voraus. Unermüdlich stieg sie den Gletscher hinunter, auch als die Rinne plötzlich steil abfiel oder ein Steinrutsch sie zu einem beschwerlichen Umweg zwang. Müdigkeit überkam Elsa. Lange halten wir dieses Tempo nicht mehr durch, dachte sie und kletterte und rutschte einen Hang hinunter. Endlich wurde das Eis flacher. Sie standen auf einem Absatz neben dem Gletscher. Eolande sah sich aufmerksam um, als wolle sie prüfen, wie weit sie den Berg schon hinuntergestiegen waren.
Die Sonne stand hoch über ihnen am tiefblauen Himmel. Jetzt, von weiter unten, sah Elsa den Gipfel des Eigg Loki weiß über ihnen leuchten. Unterhalb von ihnen schien sich das Eis mit seinen gewaltigen Platten und Rinnen endlos fortzusetzen, bis es schließlich mit den Schneefeldern am Fuß des Berges verschmolz.
»Wir müssen uns beeilen«, murmelte Eolande und fasste Elsa am Arm. Elsa spürte, wie die Macht des Schwertes sie mit einem stechenden Schmerz von der Schulter bis ins Handgelenk durchfuhr, doch klangen die Schmerzen gleich wieder ab und an ihre Stelle trat erneut das dumpfe Pochen. Sie folgte Eolande durch eine weitere abwärtsführende Rinne zum Ende des Gletschers.
Eolande verlangsamte das Tempo ein wenig und Elsa ging wieder neben ihr. »Drei Tage lang brannte der Eigg Loki« ,sagte Eolande leise. »Der Berg bebte und der Eingang zu Lokis Gefängnis wurde durch herunterfallende Steine und Eisbrocken zugeschüttet. Danach brannte es nicht mehr. Es schneite wieder und Brokk wurde von einigen als Bezwinger Lokis gefeiert. Andere verfluchten ihn, weil er so viele in den Tod geführt hatte. Weder er noch das Schwert wurden je gefunden. Man suchte ihn, fand aber nur den Handschuh, den er gefertigt hatte, um das Schwert zu halten. Der Handschuh lag neben den herabgefallenen Steinen auf dem Boden. Er wurde in eine Kiste eingeschlossen, und diese wurde versteckt und geriet in Vergessenheit … bis du sie gefunden hast.«
Elsa hatte wieder Bilder von Feuer und blitzendem Metall vor Augen. Sie sah, wie ein grauhaariger Mann sein Schwert hob, zuschlug und in Flammen gehüllt zu Boden stürzte. In einem anderen Bild starrte derselbe Mann entsetzt auf das Schwert, das sich mit seinem Arm verbunden hatte, und auf das schlanke, lächelnde Mädchen, dessen Körper sich auflöste. Und Elsa sah noch jemanden. Noch eine dritte Person war in der Höhle anwesend gewesen, ein junger Mann, dessen Gesicht sie nicht hatte erkennen können. Er war Ioneth gefolgt und hatte sie angefleht, sich nicht zu opfern. Nimm mich stattdessen! ,hatte er gerufen. Elsa hätte gern gewusst, wer er war und warum Eolande ihn nicht erwähnt hatte.
»War nicht noch ein Mann anwesend?«, begann sie und brach ab. Sie waren am Rand des Gletschers angekommen. Nebeneinander standen sie auf einem Eisbrett, unter dem der Felsen zu sehen war. Links von ihnen führte das Eis in seltsamen Wirbeln, Höckern und Kratern weiter nach unten. Rechts türmte sich ein Durcheinander gewaltiger Felsbocken auf. Eolande begann von der Eisplatte zum darunterliegenden Felsen zu klettern, und Elsa machte sich bereit, ihr zu folgen. Sie drehte sich um und sah zum Berg hoch. Sie konnte den ganzen Weg erkennen, den sie zurückgelegt hatten und auf dem noch ihre Fußspuren zu sehen waren. Er endete an einem klaffenden Spalt. Am oberen Ende des Spalts, dort, wo er immer schmäler wurde und schließlich abbrach, sah sie drei winzige Gestalten.
»Seht doch, Eolande!«, rief sie. »Die anderen folgen uns! Wir müssen auf sie warten.«
Eolande legte ihr warnend die Hand auf den Arm und sie brach ab. Die hochgewachsene Frau blickte auf eine Stelle oberhalb der drei Gestalten. Elsa spürte wieder die stechenden Schmerzen in ihrem rechten Arm, und diesmal fuhr das Kristallschwert heraus. Im selben Augenblick verdunkelte sich der Himmel.
Über ihnen schwebte lautlos der Drache. Er legte sich schräg, eine Schwinge blitzte am Rand silbern auf und sein riesiges Auge glitzerte. Sein Leib, ein blauschwarzer Schatten, verhüllte die
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