Chroniken der Jägerin 3
als Nachsatz hinterher. »Deine Anwesenheit hier ist schließlich nicht gerade leicht für sie. Du weißt ja, was sie für dich empfindet.«
»Lass es«, sagte er.
»Lass es selbst«, wiederholte ich seine Worte spöttisch und verließ den Raum.
6
N och bevor ich die Treppe erreichte, spürte ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Jungs waren einfach zu unruhig. Sogar die Rüstung pochte, was sich seltsam anfühlte, ganz abgesehen von dem, was mir Zee und die anderen erzählten. Und das allein war schon beunruhigend genug.
Ich erreichte die Bar. Und fand dort einen Haufen Zombies.
Fast zwei Dutzend von ihnen. Hingestreut wie Fliegen auf einer verrottenden Frucht: tafelfertig, bereit zum Ausschwärmen. Männer, Frauen, sogar ein paar Teenager, und alle strahlten schwarze Auren aus, die wie Gewitterwolken über ihren Köpfen flackerten. Sie betrachteten mich mit ausdruckslosen, leeren Augen. Saßen oder standen vor den Türen und Fenstern. In Businessanzügen oder in Straßenkleidung, und eine Mutter im Trainingsanzug hatte sich ein Baby vor die Brust geschnallt und hielt eine Pistole in der linken Hand.
Menschen, die besessen waren. Beherrscht von Parasiten, die sich von Schmerzen ernähren. Zwischen ihnen saßen Killy und Grant. Killy war blass und schmallippig und hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt. Mit der Spitze ihres roten Stiefels klopfte sie so schnell wie ein Maschinengewehr auf den Boden.
Grant wirkte weitaus ruhiger, aber das war nur äußerlich. Er presste die Handflächen flach auf die raue Tischplatte. Er hatte
die Zähne zusammengebissen, und zwischen seinen Brauen hatte sich eine tiefe Furche gebildet. Doch als ich ihn flüchtig anblickte, sah es aus, als schimmerte die Luft um seinen Körper herum wie in goldenen, leuchtenden Wellen – nicht wie eine Aura, sondern als ob etwas tief in seinem Inneren brannte.
Er erwiderte meinen Blick. Ich sah keine Furcht. Nur eine unerschütterliche Zuversicht, so tief verwurzelt und so vollkommen unerschütterlich, dass man es auch Glauben nennen könnte. Aber an was er glaubte, das wusste ich nicht und wollte mir auch nicht anmaßen, es zu erraten. Ich fragte mich, warum ich davon ausging, dass ihm klar war, was sich um ihn herum abspielte. Die meisten Menschen konnten einen Zombie nicht von einer Erdnuss unterscheiden. Daran hätte sich auch nichts geändert, wenn sie mit mir zusammen gewesen wären. Man musste es sehen. Und spüren. Man musste es wissen.
Er weiß es , dachte ich, verdammt noch mal, er weiß es ganz genau.
Auf der anderen Seite des Tisches saß ihm und Killy eine Frau gegenüber, mit einer donnernden Aura voller roter Blitze, die sich von ihrem Scheitel bis zu den Fußsohlen verteilte. Sie hatte rote Haare und trug unter ihrem knochenbleichen Trenchcoat ein rotes Kleid. An den Füßen hatte sie rote Pumps mit hohen Absätzen, und ihre Beine waren lang und glatt, blass wie Schnee und dabei so eingecremt, dass sie glänzten. Sie nippte an einem Becher kochend heißen Kaffees und lächelte über den Becherrand hinweg, als sie mich sah. »Jägerin«, flüsterte Mama-Blut. »Liebe kleine Jägerin.«
Was Dämonen anbetraf, so galt es, gewisse Regeln zu beachten. Regeln und Hierarchien, die ich erst allmählich begriff.
Meine Mutter hatte nie Wert darauf gelegt, zwischen den verschieden Arten von Dämonen Unterschiede zu machen – jedenfalls nicht vor mir. Was nicht menschlich oder tierisch war, das war so gut wie tot. War es menschlich oder tierisch und versuchte es, uns anzugreifen, dann war es auch tot. In diesem Punkt verstand meine Mutter keinen Spaß.
Man erzählte sich, die Schlächterkönige seien die gefährlichsten unter den Dämonen.
Weltenfresser hatten sie einige meiner Vorfahren genannt. Sie lebten nur für ihren Magen, für die Jagd und das Morden.
Mehr wusste ich nicht über die Schlächterkönige, außer, dass sie tot waren und das Dämonenheer angeführt hatten. Sie waren in den letzten zehntausend Jahren im Ersten Bann, im innersten Zentrum des Schleiers eingekerkert gewesen. Ich hatte versucht, Jack zu ihnen zu befragen, aber unter den Myriaden von Dingen, die mein Großvater nicht diskutieren wollte, schienen sie ganz oben zu stehen.
Doch meine Mutter hatte mich schon gewarnt. Wenn auch ohne viele Worte.
Du kannst vor ihnen nicht weglaufen, Baby,
Wenn du sie stoppst, stoppst du alles.
Klar, ganz einfach. Danke für den Tipp.
Die Niedersten unter den Niederen der eingekerkerten Armee waren die
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