Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
ein langes, unbehagliches Schweigen ausbreitete.
»Jordan«, setzte Magnus schließlich an und fuhr mit einem schlanken blassen Finger über den Rand seines Sektglases, »wie ich höre, bist du bei den Praetor Lupus. Und wie ich sehe, trägst du eine ihrer Medaillen. Was steht denn darauf?«
Jordan blickte ihn überrascht an. Sein Gesicht wirkte gerötet, seine grünbraunen Augen funkelten und offensichtlich war er in Gedanken völlig woanders gewesen. Er hatte Maia die ganze Zeit kaum aus den Augen gelassen, wobei seine Finger immer wieder angespannt den Saum des Tischtuchs kneteten. Simon bezweifelte, dass Jordan sich dessen überhaupt bewusst war. »Beati bellicasi: Selig sind die Krieger«, erklärte er nun.
»Eine sehr ehrenwerte Organisation«, bemerkte Magnus. »Ich habe ihren Gründer gekannt, damals im 19. Jahrhundert. Woolsey Scott. Aus einer traditionsreichen, alten Werwolffamilie.«
»Und hast du mit ihm auch geschlafen?«, stieß Alec kehlig hervor.
Magnus’ Katzenaugen weiteten sich. »Alexander!«
»Na ja, schließlich weiß ich rein gar nichts über deine Vergangenheit, oder?«, fuhr Alec fort. »Du willst mir ja nichts erzählen und behauptest lediglich, das würde alles keine Rolle spielen.«
Das Gesicht des Hexenmeisters blieb ausdruckslos, doch in seiner Stimme lag nun ein zorniger Unterton. »Bedeutet das, dass du mich ab sofort bei jedem Namen, den ich erwähne, danach fragst, ob ich eine Affäre mit dieser Person hatte?«
Alec zog ein störrisches Gesicht, aber Simon konnte nicht anders, als einen Anflug von Mitleid für ihn zu empfinden — seine blauen Augen verrieten deutlich, wie verletzt er war. »Vielleicht.«
»Ich bin einmal Napoleon begegnet«, sagte Magnus. »Allerdings haben wir nicht das Bett miteinander geteilt. Für einen Franzosen war er schockierend prüde.«
»Sie haben Napoleon gekannt?« Jordan, der auch diesen Teil der Unterhaltung nur mit halbem Ohr verfolgt hatte, wirkte beeindruckt. »Also stimmt das, was man sich über Hexenmeister erzählt?«
Alec warf ihm einen äußerst unfreundlichen Blick zu. »Was erzählt man sich denn?«
»Alexander«, sagte Magnus eisig.
Clarys und Simons Blicke trafen sich über dem Tisch. Und Clarys grüne, weit geöffnete Augen sandten eine deutliche Botschaft aus: Oh, oh.
»Du kannst nicht zu jedem unhöflich sein, der mit mir spricht«, tadelte Magnus.
Alec machte eine ausladende Geste mit der Hand. »Und warum nicht? Vermassele ich dir etwa die Tour? Wer weiß, vielleicht bist du ja auf einen kleinen Flirt mit Werwolfboy aus. Er ist ziemlich attraktiv — sofern man auf den breitschultrigen, kantig gut aussehenden Typ mit wilder Mähne steht.«
»Nun mal langsam«, sagte Jordan sanft.
Magnus ließ den Kopf in die Hände sinken.
»Andererseits sind auch ziemlich viele hübsche Mädchen hier — denn deine Interessen sind ja offenbar vielfältig. Gibt es irgendeine Lebensform, die dir nicht gefällt?«
»Meerjungfrauen«, murmelte Magnus zwischen den Fingern hindurch. »Die riechen immer nach Seetang.«
»Das ist nicht witzig«, presste Alec wütend hervor, stieß ruckartig seinen Stuhl zurück, erhob sich vom Tisch und stapfte beleidigt davon.
Magnus hielt den Kopf weiterhin in die Hände gestützt; die schwarzen Spitzen seines Haarschopfs stachen zwischen den Fingern hindurch. »Ich begreife einfach nicht«, sagte er zu niemandem im Besonderen, »warum die Vergangenheit irgendeine Rolle spielen soll.«
Zu Simons Überraschung antwortete Jordan: »Die Vergangenheit spielt immer eine Rolle. Das ist eines der ersten Dinge, die man lernt, wenn man sich den Praetor anschließt. Man darf die Dinge, die man in der Vergangenheit getan hat, nicht einfach vergessen oder man wird nie etwas daraus lernen.«
Magnus schaute auf; das Goldgrün seiner Augen blitzte zwischen den Fingern hervor. »Wie alt bist du?«, fragte er fordernd. »Sechzehn?«
»Achtzehn«, erwiderte Jordan und wirkte plötzlich leicht verängstigt.
Genauso alt wie Alec, überlegte Simon und musste ein Grinsen unterdrücken. Er hatte zwar Alecs und Magnus’ Eifersuchtsszene nicht besonders witzig gefunden, aber es fiel ihm schwer, bei Jordans Miene nicht wenigstens ein gewisses bitteres Vergnügen zu empfinden. Der Werwolf war von der Statur mindestens doppelt so breit wie Magnus — obwohl relativ hochgewachsen, war der Hexenmeister so schlank, dass es an Magerkeit grenzte —, doch Jordan hatte ganz offensichtlich Angst vor ihm. Simon wandte sich Clary
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