Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
Dinge auf, die einfach nicht zusammenpassen. Zeiten verschwimmen, sein Vokabular wird fehlerhaft. Es ist, als hätte er sein Tagebuch nur noch geführt, um keinen Verdacht auf sich zu lenken. Als wäre er ein fremdes Wesen in einem Tarnanzug.«
Die letzten Worte trafen Oskar wie ein Schlag. Er dachte an seinen Arm, der seit dem Kampf mit Bellheim irgendwie infiziert war. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte er und es schwang Panik in seiner Stimme.
»Vor allem müssen wir sehr vorsichtig sein.« Humboldt stellte seine Tasche ab, zog seinen Gehstock aus dem Gürtel und legte ihn daneben. »Ein Objekt, das in der Lage ist, fruchtbares Land in eine öde Wüste zu verwandeln, ist sicher noch zu anderen Dingen fähig.« Er öffnete die Tasche und entnahm ihr ein paar kleine, verschließbare Metallbehälter, einen Spatel sowie eine Pinzette. Das alles legte er sorgfältig auf ein zuvor ausgebreitetes Tuch. Oskar konnte sich keinen Reim darauf machen. Er wusste nur, dass er von hier wegwollte. Diese Stadt und der Tempel verströmten eine geradezu fühlbare Feinseligkeit. Auch Eliza und Charlotte wirkten nervös.
Humboldt war der Einzige, der ruhig blieb. Er ergriff seinen Stock und stand auf.
»Wartet hier.«
Vorsichtig setzte er einen Fuß ins Innere des Tempels. Es konnte eine optische Täuschung sein, aber Oskar kam es so vor, als würde der Stein plötzlich anfangen zu pulsieren. Das Licht schien heller zu werden.
Humboldt machte noch einen Schritt, dann blieb stehen. Er war jetzt etwa anderthalb Meter im Inneren des Tempels. Lauschend hielt er den Kopf in die Höhe.
»Was ist denn?«, rief Charlotte. »Kannst du etwas hören?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich hatte den Eindruck, eine Melodie gehört zu haben. Als würde man zwei Gläser gegeneinanderstoßen.«
Eliza blickte Oskar erschrocken an. Oskar nickte. Wortlos.
»Besser du kommst da raus!«, rief Eliza. »Mit dem Stein stimmt etwas nicht.«
»Nicht nur mit dem Stein. Es ist der Tempel«, sagte Humboldt. »Ich kann ihn hören. Er spricht zu mir.«
In diesem Moment war eine Bewegung auf dem Boden zu sehen. Der Forscher blickte nach unten. Die Stelle, an der er stand, sah aus, als bestünde sie aus Wasser. Hastig trat er einen Schritt zurück. Er konnte aber nicht verhindern, dass er bis über den Knöchel einsank. Oskar hechtete nach oben und zog ihn aus der Gefahrenzone. Als er ins Tageslicht taumelte, blickten alle entsetzt auf Humboldts Stiefel. Das Leder war mit kleinen grünen Kristallen bedeckt, die hektisch herumwuselten und dabei leise sirrende Laute ausstießen. Es sah aus, als wäre der Forscher in einen Haufen hellgrüner Ameisen getreten. Einige der Dinger fingen bereits an, sich in das Leder zu bohren. In Windeseile zog Humboldt die Stiefel aus und warf sie auf die Seite. »Himmel!«, stieß er aus. »Die sind aber schnell.«
Alle schauten auf die Stiefel. Das Leder hatte eine seltsam matte Färbung angenommen. Als nichts weiter geschah, gingen sie langsam darauf zu.
Der Forscher nahm seinen Stock, steckte ihn in einen der Stiefel und hielt ihn gegen das Licht. Dutzende winziger Löcher schimmerten im Sonnenlicht. Das Leder war regelrecht durchsiebt. Doch von den Körnern fehlte jede Spur.
Oskar wich zurück. Er bildete sich ein, der Boden wäre überall in Bewegung geraten. Wohin er auch blickte, sah er Sandkörner herumwuseln. Unter seinem Verband pochte und brannte es. Seine Kehle war wie zugeschnürt. »Weg … ich will weg hier«, stammelte er.
»Beruhige dich. Die Kristalle sind fort.«
»Sind Sie sicher?«
»Hundertprozentig. Seht euch doch mal um. Nicht der geringste Hinweis auf irgendwelche krabbelnden Sandkörner. Und aus meinen Stiefeln sind sie auch verschwunden. Ich glaube, sie meiden direktes Sonnenlicht. Kann aber auch sein, dass Sie nur innerhalb eines streng abgezirkelten Radius um den Hauptkristall existieren können. Was immer es ist, wir müssen es genau untersuchen.«
Oskar bekam langsam wieder Luft. »Was sind das für Dinger?«, stammelte er. »Tiere?«
»Glaube ich nicht.« Humboldt betrachtete seine Stiefel, prüfte, ob die Kristalle wirklich alle verschwunden waren, dann zog er sie wieder an. Sie sahen etwas mitgenommen aus, hielten aber. Nachdem er ein paar Schritte unternommen hatte, packte er seinen Stab. »Oskar, schnapp dir ein Metallgefäß und folge mir.«
»Was haben Sie vor? Sie wollen doch nicht etwa noch mal da rein?«
»Von wollen kann keine Rede sein. Ich muss. Ich benötige eine Probe
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