CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Mitstreiter Carters, Senator Walter Mondale aus Minnesota, wollte etwas über verdeckte Aktionen und die Verbindungen der Agency zu ausländischen Nachrichtendiensten wissen. Mondale hatte dem Church-Ausschuss angehört, dem für die CIA eingesetzten Untersuchungsausschuss des Senats. Der Schlussbericht des Ausschusses war zwei Monate zuvor erschienen. An den Ausschuss erinnert man sich heute hauptsächlich wegen der Feststellung seines Vorsitzenden, die CIA habe sich aufgeführt wie ein »wildgewordener Elefant« – was insofern an der Wahrheit vorbeizielte, als dadurch die Präsidenten aus der Schusslinie kamen, die ja den Elefanten schließlich angestachelt hatten. Bush, durch die bloße Existenz des Church-Ausschusses in Rage versetzt, weigerte sich, Mondales Fragen zu beantworten.
Zwei Wochen später kam Bush in Begleitung von acht CIA-Beamten nach Plains. Die Männer saßen in einem Kreis in Carters Wohnzimmer, während dessen Tochter mit ihrer Katze ein und aus ging. Zur Überraschung der CIA-Leute bewies Carter ein hoch differenziertes Verständnis der Weltläufte. Als Carter und Ford zur ersten Fernsehdebatte seit Kennedy und Nixon aufeinandertrafen, stahl der Gouverneur dem Präsidenten auf außenpolitischem Gebiet die Show. Auch die CIA bekam ihr Fett ab, als er erklärte: »Unser Regierungssystem ist – trotz Vietnam, Kambodscha, CIA und Watergate – immer noch das beste Regierungssystem in der ganzen Welt.«
Am 19.November 1976 kam es in Plains zu einer letzten unbehaglichen Begegnung zwischen Bush und dem neugewählten Präsidenten Carter. »Bush wollte seinen Posten in der CIA behalten«, erinnerte sich Carter. »Hätte ich eingewilligt, wäre er nie Präsident geworden. Seine Karriere hätte einen völlig anderen Verlauf genommen!«
Bushs Aufzeichnungen von dem Treffen zeigen, dass er den neugewählten Präsidenten über einige der laufenden Operationen in Kenntnis setzte, etwa über die finanzielle Unterstützung, die Staatsoberhäupter wie König Hussein von Jordanien und der Präsident des inzwischen in Zaire umbenannten Kongo, Mobutu oder starke Männer wie Manuel Noriega, der spätere Diktator in Panama, durch die CIA erhielten. Bush fiel auf, dass Carter merkwürdig angewidert wirkte. Sein Eindruck trog nicht. Der neugewählte Präsident fand die Gelder der CIA für ausländische Politiker verwerflich.
Ende 1976 stand Bush bei einigen seiner früheren Anhänger in der Organisation bereits in Verruf. Er hatte in einer unverblümt politischen Entscheidung eine Gruppe von neokonservativen Ideologen – »rechte Bluthunde« nannte sie Dick Lehman – damit beauftragt, die Schätzungen der CIA hinsichtlich der sowjetischen Militärmacht zu überarbeiten.
William J. Casey, das lautstärkste Mitglied im Beraterstab des Präsidenten für die Nachrichtendienste, hatte mit einigen seiner Freunde und Verbindungsleute in den nachrichtendienstlichen Organisationen gesprochen. Sie waren überzeugt davon, dass die CIA die sowjetische Nuklearmacht gefährlich unterschätzte. Casey und seine Kollegen im Beraterstab drängten Präsident Ford, eine Gruppe von außerhalb eine eigene Schätzung vornehmen zu lassen. Zu der Gruppe, deren Mitglieder in ihrer tiefen Enttäuschung hinsichtlich der Entspannungspolitik übereinkamen und vom rechten Flügel der Republikaner sorgfältig ausgewählt worden waren, zählten General Daniel O. Graham, der führende Befürworter einer Raketenabwehr, und Paul Wolfowitz, ein desillusionierter Teilnehmer an den Abrüstungsverhandlungen, der später stellvertretender Verteidigungsminister wurde. Im Mai 1976 genehmigte Bush die »Gruppe B« mit der hingekritzelten munteren Bemerkung: »Auf geht’s! O. K. G. B.«
Die Debatte war hochgradig fachspezifisch, aber letztlich drehte sich alles um eine einzige Frage: Was führt Moskau im Schilde? Die »Gruppe B« malte das Bild einer Sowjetunion, die mitten in einer ungeheuren militärischen Aufrüstung steckte – während sie in Wahrheit ihre Militärausgaben zurückschraubte. Die Treffsicherheit der sowjetischen Interkontinentalraketen wurde maßlos übertrieben. Man ging davon aus, dass die Sowjetunion doppelt so viele Düsenbomber produzierte wie bislang angenommen. Wiederholt wurde vor Gefahren gewarnt, die niemals Gestalt annahmen, vor nichtexistierenden Bedrohungen, vor niemals verwirklichten technischen Neuentwicklungen und – Schrecken aller Schrecken – vor dem Gespenst einer geheimen sowjetischen Strategie, wie sich
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