Ciara
eintreten, übersah die niedrige Schwelle und stolperte.
Die Tasche, die er über einer Schulter trug, rutschte hinab und blieb in der Armbeuge hängen. Dafür purzelte der Karton zu Boden, den er sich unter die Achsel des eingegipsten Arms geklemmt hatte. »So ein Mist«, fluchte er. Noch bevor er sich danach bücken konnte, hob Ciara ihn auf.
Mike schloss die Tür hinter sich und fragte, ohne Ciara anzusehen: »Wie geht es dir?«
»Ich bin müde, aber sonst in Ordnung. Hast du etwas über Paul herausgefunden?«
»Er liegt im Krankenhaus.« Mike stellte die Tasche an die Seite.
»Was ist mit ihm?« Nervös verschränkte sie die Arme, öffnete sie wieder, strich sich den Pullover glatt. Sie schien nicht zu wissen, wohin mit ihren Händen. Er spürte ihren fragenden Blick, auch ohne sie anzusehen. Wie brachte er ihr Pauls Zustand möglichst schonend bei? Auch wenn er die Beziehung zwischen den beiden nicht verstand, war er sich doch ihrer Einzigartigkeit bewusst.
»Ich erzähle dir alles, sobald ich dir eine neue Blutkonserve verabreicht habe.« Er zog zwei Beutel unter dem Pullover hervor. »Ich glaube, zu viel Blut kannst du nicht bekommen.«
Ciara lief in ihr Schlafzimmer zurück. Mike folgte ihr, legte ihr die Kanüle und setzte sich neben sie.
»Paul geht es schlecht.«
»Ich wusste es!«
»Sie haben herausgefunden, was er hat. Ich habe Stephan – das ist unser Chef – überreden können, Paul Blut zu geben. Er darf das auf der Intensiv zwar nicht, wir haben es aber trotzdem gemacht. Ich denke, er wird wieder. Aber …« Er strich sich über das Kinn. »Aber er muss da raus. Ich möchte nicht wissen, was sie dort mit ihm anstellen.«
»Dann lass uns gehen.« Entschlossen richtete sich Ciara auf.
»Nein. Du wirst jetzt erst mal schön liegen bleiben. Wenn du nämlich wieder schlappmachst, kannst du ihm auch nicht helfen. Klar?«
Ciara presste die Lippen aufeinander und nickte.
Mike erhob sich und begann den verstreuten Inhalt des Rucksacks vom Boden einzusammeln und auf Bett oder Kommode zu platzieren. Er versuchte, das leise Stöhnen, das ihm bei jeder Bewegung aus dem Mund kroch, zu unterdrücken. Aber Ciara musste es bemerkt haben. »Hast du Schmerzen?«
»Es war schon schlimmer.«
»Auf dem Nachttisch steht ein schwarzes Fläschchen.« Mike schaute erst zu Ciara und dann auf das kleine Schränkchen neben dem Bett.
»Trink einen Schluck, das nimmt den Schmerz.«
Erneut setzte er sich aufs Bett und griff nach der Flasche, klemmte sie zwischen Gips und Bauch und drehte mit der anderen Hand den Verschluss ab. Zuerst roch er daran und verzog angeekelt das Gesicht. »Was ist das?«
»Ein Saft aus Bilsenkraut. Aber nimm nicht mehr als einen kleinen Schluck, sonst wirkt es wie Rauschgift.«
»Und du bist sicher, dass es hilft?«
Sie nickte.
Skeptisch setzte Mike das schmale Gefäß an den Mund, trank einen Schluck und schüttelte sich. »Bäh! Das schmeckt ja widerlich.«
»Ich hab ja auch nur gesagt, dass es die Schmerzen nimmt. Und die Nebenwirkungen sind nicht so extrem wie bei den Mitteln, die du sonst einwirfst.«
»Woher weißt du das?« Mike stellte das Fläschchen zurück und gestikulierte abwehrend mit der Hand. »Vergiss es, ich will es gar nicht wissen.«
Als er sich erhob, schwankte er leicht, doch, mittlerweile geübt, kämpfte er gegen das Schwindelgefühl an und ging in die Küche.
Unter der Spüle fand er einen blauen Müllsack, in den er die leeren Verpackungen und Papiere packte, die überall auf dem Boden verstreut lagen. Als er damit fertig war, setzte er sich an den großen Tisch. Erst jetzt bemerkte er, dass er sich schmerzfrei fühlte.
»Magst du einen Kaffee?« Ciara hatte sich selbst den zweiten Blutbeutel angeklemmt.
Lautstark atmete Mike aus. »Ja, aber – kann ich vorher duschen?«
Ciara beschrieb ihm den Weg in die obere Etage. Bevor er der Wegbeschreibung folgte, erkundigte er sich nach dem Frettchen.
»Ich hab keine Ahnung, wo es steckt.«
»Du hängst nicht sehr an dem Tier.«
»Ich habe es noch nicht lange genug, um es zu lieben, aber ich glaube nicht, dass es Angst hat oder in Gefahr ist. Insofern …«
›Vielleicht sein Glück, dass du es nicht liebst‹, dachte Mike, runzelte über seinen spontanen Gedanken die Stirn, verließ die Küche und holte seine Tasche. Noch einmal kehrte er zurück. »Hast du eine Tüte oder so was in der Art?«
»Wofür?«
Mike hob seinen Gipsarm in die Höhe.
Ohne etwas zu sagen, schob Ciara einen Stuhl vor einen
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